Mit ihrem neuen Corporate Design sticht die Kunsthalle Wien unter den Relaunch-Kandidaten im heimischen Museumsbetrieb heraus. Das hat seinen Grund.
Museen sind nur selten für Revolutionen gut, doch man kann es ihnen nicht verübeln. Sie sind eher behäbige Kulturtanker und an vielerlei Faktoren gebunden: an eine historisch gewachsene, oft ausufernde Sammlung etwa oder an einen angestammten Stab von Mitarbeitern mit hauseigener Tradition, die neuen Wegen oft skeptisch gegenüberstehen. Trotz aller Kritik am „Musealen“ im 20. Jahrhundert hat sich das Modell des klassischen Museums erstaunlich gut gehalten bzw. gerade in letzter Zeit wieder neu erfunden, das beste Beispiel dafür ist die Begeisterung für Wunderkammer-Präsentationen.
Insofern ist es kaum verwunderlich, dass Museen in Sachen Corporate Design selten große Sprünge machen, sondern eher vorsichtige Schritte. Ein Blick auf die Häuser, die in den vergangenen Jahren neu übernommen wurden, zeigt dies: Dem Mumok wurde ein fragiler, äußerst subtiler Schriftzug verpasst, die jüngste Adaption des MAK-Logos ist vielen Laien gar nicht groß aufgefallen, das Kunsthistorische Museum wiederum hat sich vom ausgefallenen Grün getrennt und tritt seit kurzem ganz klassisch mit einem interessanterweise zentrierten Schriftzug auf. Und soeben wurde das Logo des "Weltmuseum Wien" (ehemaliges Völkerkundemuseum) präsentiert, bei dem Punkte um einen weißen Kreis gruppiert sind – grafisch alles andere als dick aufgetragen.
Brutal but sexy
Die Chance, dem allzu Museal-Seriösen zu entgehen, wollte die Kunsthalle Wien unter ihrem neuen Direktor Nicolaus Schafhausen nützen. Vor kurzem präsentierte man das neue Corporate Design, und manche hielten es im ersten Moment für einen (guten oder schlechten) Scherz. Zu einem geometrischen Raster, der an die Tradition der Wiener Werkstätte anknüpft, und dem Namen „Kunsthalle Wien“ gesellt sich ein Adler, der je nach Bedarf in unterschiedlichen Varianten auftreten kann: mal als herrschaftliches Wappentier, dann wiederum als grotesker Comicvogel, je nach Thema, Format, Lust und Laune. Man kann sich das Schaudern vorstellen, das den Gralshütern von Corporate Identity – ob im Kulturbereich oder sonstwo – über den Rücken läuft: Ein veränderliches Logo ist ein No-Go im Marketingbuch des Mainstreams.
Der neue Kunsthallen-Chef bezeichnet es selbst als „brutal but sexy“ Die neue CI entspreche dem Weg, den das Haus einschlagen wolle: „stilprägend, diskursiv, provokant, aber auch, und das ist mir wichtig, jede Menge Selbstironie und Spaß vermittelnd.“ Vorgaben an den Grafiker habe es keine gegeben, außer dass das Logo einen Bezug zu Wien haben musste (was zumindest mit dem Raster à la Wiener Werkstätte eingelöst wurde, und ja, der Adler ist auch Wiener Wappentier). „Der Grafiker Boy Vereecken ist Belgier und hatte bei dem Adler aus dem Wiener Wappen schnell die Assoziation zu Marcel Broodthaers‘ berühmtem ‚Adler-Museum‘, das zu den bekanntesten Hinterfragungen klassischer Kulturinstitutionen und ihrer Ausstellungspolitik zählt.“ Die Arbeit von Vereecken sei geprägt davon, Unvereinbares nebeneinander zu stellen und unkonventionell zu kombinieren. „Ich wollte kein statisches Gestaltungskonzept, sondern eines, das auf die unterschiedlichen Programme der Kunsthalle reagiert und damit auch die Identität der Institution als wandelbares Konzept zum Ausdruck bringt“, so Schafhausen.
Den möglichen Vorwurf, einfach nur auffallen zu wollen, wehrt der neue Leiter ab: „Es ist nicht so, dass ich grundsätzlich für ein möglichst auffälliges Erscheinungsbild bin. Klassisches Design ist oft nicht nur sehr elegant, sondern sticht in seinem Understatement aus einer visuell lauten Umgebung prägnant heraus. In Wien gibt es mit dem Mumok, der Generali Foundation und diversen anderen Institutionen jedoch schon viele solche vor allem typografisch argumentierende CI´s. Insofern durfte es schon etwas irritierender und auch kontroverser sein.“
Für Wiener Verhältnisse kommt der neue Auftritt der Kunsthalle einer kleinen grafischen Revolte gleich. Oder um nochmal das eingangs erwähnte Bild zu strapazieren: Unter den schwerfälligen Kulturtankern scheint die Kunsthalle sich die Rolle des Schnellbootes aneignen zu wollen.