Wer erste Entzugserscheinungen vom ersten Wochenende des Donaufestivals bemerkt, dem verspricht der Montag im Rhiz süße Linderung. Mit Boduf Songs und Jessica Bailiff wartet der Abend gleich mit zwei Artists auf, die seit Jahren mit den Genregrenzen Katz und Maus spielen, ohne zum Chamäleon zu werden.
Bailiff deren erstes Album "Even in Silence" bereits 1998 auf dem Chicagoer Ausnahmelabel Kranky erschien, driftet beständig zwischen Eckpfeilern Folk, Indie, Shoegaze oder auch Ambient – manche sagen auch Slowcore oder Post-Rock dazu. In ihrem Fall meint driften aber keinen aufdringlichen Eklektizismus, oder ein musikalisches Sich-Verlieren, sondern eine Suche nach einem Ausdruck, für das was sich dem Greifbaren entzieht, ihm sogar bewusst widerstrebt.
Die musikalische Welt der Jessica Bailiff hat etwas Geisterhaftes – Sanguine (Please Say a Word) – ohne esoterisch zu werden. Ihre Arrangements wirken manchmal fast analytisch, sind dabei immer präzise. Sie tragen dieses Suchen mit und spiegeln die vielen Uneindeutigkeiten und Nunancierungen. "At the Down-turned Jagged Rim of the Sky" ist, was das betrifft, vielleicht sogar eines ihrer besten und abwechslungsreichsten Alben. Mit "Firefly (We Could Be Free)" findet das Album einen recht zärtlichen Abschluss und für mich zurück zu einer für Bailiff typischen Stimmungslage: wenn das Flirren der Luft an einem heißen und trockenen Sommertag langsam dem Farbenspiel des Sonnenuntergangs Platz macht, das im verwaschenen Surren der Gitarrenflächen seine akustische Entsprechung findet. Vielleicht auch einfach nur ein sehr guter Song, um dabei nach Hause- oder Wegzugehen oder einfach nur Herumzustehen und auf seine Schuhe zu starren.
Nahe am Fegefeuer
Wenn es dagegen bei Mat Sweet, aka Boduf Songs, mal heiß wird, dann nicht aufgrund sommerlicher Gefühlslagen, sondern ist eher durch sein Nahverhältnis zum Fegefeuer und vielfältig anderem Apokalyptischen. Überhaupt ist es im musikalischen Universum von Mat Sweet nur selten sonnig. Erste Indizien, dafür, warum das so ist, finden sich bereits im Opener auf Boduf Songs selbstbetiteltem Debüt: "Puke a Pitchblack Rainbow to the Sun". Während Sweet in seinen frühen musikalischen Versuchen vor allem auf Reduktion, auf filigrane Drones, spärliche Gitarrentöne und unterschiedlichste Geräuschcollagen vertraute – und sich dabei als recht innovativ und experimentierfreudig dabei zeigte, die völlige Abwesenheit von Freude durchwegs abwechslungsreich in Szene zu setzen -, geht auf den letzten Platten immer öfter daran, stilistische Elemente seiner anderen Projekte (Postrock und Metal – Fiery The Angels Fell zum Beispiel) miteinzuweben.
Wirklich bunter ist das Werk von Mat Sweet dadurch aber nicht geworden, aber abwechslungsreicher, vielschichtiger und teilweise auch zugänglicher – different shades of black eher. Geblieben ist aber der flüsternde Gesang von Sweet, ein zentrales Element in seinem Doom-Folk Baukasten und die Thematik: Tod, Trauer, das Ende alles Lebenden und das Ankämpfen gegen das Vergehen. Das treibt gerade auf diesem Album seltsam-schöne Blüten: ein fast schon poppiger Song – elegisches Rhodes über feinem Drum-Computer – wie "Long Divider" wäre auf anderen Alben von Sweet nur schwer denkbar. Und "Song To Keep Me Still" oder das merkwürdig tröstliche "Everyone Will Let You Down In The End" gehören einfach zum Besten, was Sweet bisher geschrieben/home-produziert hat – ganz großes Schwarz-weniger-weiß Kino.
Mit etwas Glück wird das alles so intensiv wie bei Sweets letztem Besuch in Wien. Bis man das sacken hat lassen, ist es ohnedies bereits wieder Wochenende und Zeit für die zweite Dosis Donaufestival.
Boduf Songs und Jessica Bailiff live am 29.Mai im i>Rhiz.