Ein Agent, ein Oligarch und eine Finanztraderin – Nicht die Femme, sondern das gesamte Handlungsgefüge ist in Éric Rochants Spionage-Autorenfilm fatal.
Die geopolitischen Voraussetzungen für einen Spionage-Thriller schienen bis 1989 einfacher. Die Macht war zwischen Moskau und Washington verteilt. Seit dem Ende des »kurzen 20. Jahrhunderts« (Eric Hobsbawm) ist die Welt komplexer geworden: Einfache Ost-West-Schachspiele funktionieren nicht mehr. Zwischen Staatsräson, abstrakten Kapital-Interessen und vor dem Hintergrund des individuellen Seelenheils inszeniert Éric Rochant einen packenden Thriller, der sich immer mehr zur aufregenden Geschichte einer fatalen Liaison zuspitzt.
Klug stellt Rochant nicht abstrakten Machtverhältnissen privates Liebesglück entgegen. Die Liebesbeziehung passiert auf ideologischem Terrain. Unruhig zieht Pierre Novions bildgewaltige Kamera über eine felsige Küste. Das Ziel: Ein Büro im Zentrum Monacos. Bildschirme mit Börsenkursen. Yachten, die vor dem Fenster im Meer ankern. An der malerischen Côte d’Azur macht Éric Rochant den Finanzkapitalismus sichtbar. Von hier aus spinnt er sein dichtes dramaturgisches Netz. Wie beim Entlangfahren des titelgebenden Möbius-Bandes ist jedoch schon bald unklar, wie die Linien verlaufen. Als charismatischer Agent Grégory Lioubov alias Moïse und als betörende Finanzexpertin Alice Redmond finden Oscar-Preisträger Jean Dujadrin und Cécile de France zueinander. Dazwischen steht nicht nur der russische Oligarch Ivan Rostovski (Tim Roth).
Eingägige, poröse Charaktere
Waffen braucht Rochant für seinen Spionage-Film keine. Die Charaktere sind wohlbesetzt. In einem dichten Rollenspiel legt er ihnen stereotype Etiketten an: Übergewichtige CIA-Agenten beim Barbecue, der trinkende russische Agent im braunen Cordanzug, die elegante und toughe französisch-amerikanische Finanzmaklerin, der russisch-jüdische Investor. »Die Möbius Affäre« korrespondiert mit kollektiven Bildern des Spionage-Genres. Der Film kokettiert mit den weit verbreiteten Stereotypen eines personifizierbaren Finanzkapitalismus. In einer luxuriösen Bar treffen Moïse, Alice und Rostovski aufeinander. In den raren unbeobachteten Augenblicken verweilen Moïses und Alices flirtende Blicke beieinander. Desire heißt die Bar. Als Agent trinkt man Champagner. Dennoch ist es eine Allerwelts-Kneipe, in der sich die vermeintliche Finanzexpertin und der Agent näher kommen. Apocalypse der Name dieser Bar. Die glamourösen, mondänen Oberflächen der Charaktere sind ebenso catchy wie porös und trügerisch. Mit feinen visuellen Details adressiert Rochant Erwartungshaltungen; diese nicht einzulösen verleiht durchgehend Spannung.
Im Liebesspiel mit Moïses schließt Alice die Augen vor der Welt – auch vor den vorm Hotelfenster wartenden Gestalten. Flüchten möchte sie in den Iran. Dass sich die Beiden nicht im Regime der Mullahs sondern gerade in Kanada wiedersehen, ist eine der intelligenten Spielarten des Films mit tagespolitischen Bezügen. »Wir hätten uns nicht wiedersehen sollen«, sagt Alice einmal zu Moïses. Der Entscheidung, dass Regisseur Éric Rochant diesem Wunsch nicht nachkommt, ist ein nicht nur visuell kluger Film zu verdanken.
"Die Möbius Affäre" kommt am 9. August in die österreichischen Kinos.