Boyhood

Talking About My Generation Y – Richard Linklaters neuestes Werk ist ein beeindruckend umfangreicher Coming-of-Age-Film und ein klug-komisches Langzeit-Porträt der Generation Y.

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Verträumt blickt ein Schuljunge in den Himmel, so als suche er am Firmament die Zukunft. Das war 2002, in diesem Jahr begannen die Dreharbeiten zu »Boyhood«. Mit seiner älteren Schwester und seiner Mutter wächst Mason in einer Patchwork-Familie auf. Über zwölf Jahre hindurch und verdichtet auf 164 Filmminuten begleitet Richard Linklater Masons Aufwachsen. Sein leiblicher Vater (großartig: Ethan Hawke) wandelt sich über die Jahre vom freiheitsliebenden Lebemensch zum sorgsamen Vater. Gegenteilig entwickelt sich Masons erster Stiefvater. Figuren über einen derart langen Zeitraum so präzise begleiten zu können, war bis jetzt nur Serien vorbehalten.

9/11, Afghanistan, Irak, Bush, Obama: Wie sich die großen Narrative der jüngeren US-Geschichte im Alltag veräußern ist von Linklater dabei von zentralem Interesse. Sein in Berlin mit dem Silbernen Bären prämiertes Langspielfilmprojekt erweist sich somit zugleich als Dokumentation eines Amerikas der 00er Jahre und der Generation Y. Der US-Regisseur ist aber eben auch ein Choreograf des Alltäglichen, er orchestriert seine Schauspieler in ihrer dichten Materialwelt zwischen Alltagsmode, Sneakers, Skateboards, Pagern und iPhones zu einer US- Familienstory mit universellem Anspruch. Kinder der späten 80er und frühen 90er Jahre können in »Boyhood« ihrer eigenen Sozialisation nachspüren und sich vergewissern, wie sehr Pop sich all unseren Lebenslagen einschreibt. Der persönliche Lieblingssoundtrack entpuppt sich als kollektive Erinnerung. Auf die kanonisierten Coming-of-Age-Sujets (der erste Kuss, die erste Liebesnacht etc.) verzichtet »Boyhood« ebenso wie auf verkrampfte Gesten des Authentischen.

Am Filmende blickt ein erwachsener Mason erneut in den Himmel. Diesmal teilt er den Blick mit einem Mädchen. Vielleicht der Blick in eine gemeinsame Zukunft, vielleicht ein melancholischer Rückblick. Die Zeit jedenfalls nimmt ihren Lauf, einzig »Boyhood« endet hier. Mason ist nun kein Boy mehr und auch seine Hood hat er hinter sich gelassen.

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