Die Vienna Design Week geht in die siebente Runde und macht sich in einer ehemaligen Schule breit.
Sorry, aber wer einen „objektiven“ Überblick über die Aktivitäten der morgen startenden Vienna Design Week will, der sollte sich am besten das Programmheft nehmen und die ersten paar Seiten durchackern, da steht eh alles drinnen. Daher an dieser Stelle eine sehr subjektive, kleine Auswahl von Programmpunkten, die möglicherweise sehr toll werden könnten.
Einem äußerst gefinkelten Thema widmet sich dieses Jahr das Labor, das von der „Neigungsgruppe Design“ und dem Grafiker Erwin K. Bauer kuratiert wird. Unter dem Titel „Idea reloaded“ geht es darum, dass sich österreichische und internationale ProduktgestalterInnen und KommunikationsdesignerInnen untereinander gleichsam die Bälle zuwerfen und jeweils lange gehegte oder längst verworfene Ideen der anderen aufgreifen und weiterentwickeln. Das ist insofern spannend, als sich im Design der romantische Gedanke vom Genie so hartnäckig hält, dass oft stärker die Person denn das Geschaffene im Mittelpunkt steht. In der westlichen Kultur ist die Vorstellung, dass man Vorhandenes aufgreift und für sich selbst (und andere) weiterentwickelt, verpönt: Wir wollen Geniestreiche, und zwar am besten täglich! Doch wer die Sache nüchtern betrachtet, muss eingestehen, dass im Designbusiness verdammt viel „geklaut“ wird, wie sollte es auch anders gehen. Ganz abgesehen davon, dass Ideen oft „in der Luft liegen“ und von verschiedenen Personen zur gleichen Zeit aufgenommen werden.
Das Labor, in dem es um „Idea reloaded“ geht, ist übrigens in der Festivalzentrale angesiedelt, die dieses Jahr besonderen Charme ausströmt: Denn passend zum heurigen Schwerpunktbezirk Wieden hat man eine ehemaligen Schule in der Argentinierstraße 11 bezogen, wo neben Ausstellungen auch ein Pop-up-Café als Treffpunkt fungieren soll. Apropos Schule: Eine der Top-Design-Ausbildungsstätten präsentiert sich heuer in Wien mit StudentInnen-Arbeiten aus den Bereichen Produktdesign, Grafik, Media und Interaction-Design: Die ECAL – École cantonale d´art de Lausanne. Bekannt ist sie unter anderem dafür, das interdisziplinäre Arbeiten besonders zu fördern. Auf die Ergebnisse darf man gespannt sein, nicht zuletzt im Vergleich zur hiesigen Szene.
Immer stärker geht es bei der Design Week um Social Design, das sich besonders – aber nicht nur – im Format Stadtarbeit niederschlägt. So präsentiert die Österreicherin Marlene Klausner alternative Formen zur Lagerung von Lebensmittel (um Abfall und chemische Zusatzstoffe bei Lebensmitteln zu verhindern), ihr Vorschlag ist es, die leer stehenden Keller in der Großstadt vermehrt dafür zu nützen. Das geht in eine ähnliche Richtung wie das departure-Siegerprojekt zum Thema Radfahren in der Stadt, das ebenfalls im Rahmen der Design Week präsentiert wird: Leer stehende Geschäftslokale sollen temporär zum Abstellen von Fahrrädern genutzt werden, diese Art von „RAD-WGs“ könnten sich zugleich zum Grätzel-Treffpunkte entwickeln. Eine schöne Idee, die allerdings in Wien sicher nicht so leicht umzusetzen ist (hier wird ja sogar Guerilla-Gardening behördlich geregelt…)
Freunde und Freundinnen der Typografie sollten sich die Installation „3683“ von Christof Nardin nicht entgehen lassen. Der Vorarlberger lebt seit genau zehn Jahren in Wien (und wurde hier zu einem der spannendsten Grafiker des Landes). Ein guter Anlass, um sich dem Thema Schriftkultur und Erinnerung zu widmen. Nardin war es übrigens auch, der in den vergangenen Jahren der Vienna Design Week den grafischen Stempel aufgedrückt hat. In der Stadt ist sie jedenfalls unübersehbar.
Die siebte Ausgabe von Österreichs größtem Designerfestival steht vor der Tür. Über 100 Veranstaltungen, Ausstellungen und ortsspezifische Installationen stehen heuer auf dem Programm der Vienna Design Week. Runtime: 27.09. – 06.10.