Einzementiert in die gesellschaftliche Totalität, so sind wir, wenn wir der Hamburger Band Die Heiterkeit Glauben schenken. Wenn sich die Welt schon nicht ändern lässt, dann gilt es sie zumindest zu beschreiben. Kaum einer Band gelingt das mit mehr Zynismus als Der Heiterkeit auf ihrer EP „Daddy’s Girl“.
Nach dem Abgang von Stefanie Hochmuth ist Halfgirl-Schlagzeugerin Anna-Leena Lutz neu dabei. Auch klanglich gab es Veränderungen: „Der straighte Gitarren-Indiepop des Debüts wurde leicht Richtung Wave verschoben.“ Vier fabelhaft von Moses Schneider (u.a. Tocotornic, Fehlfarben) produzierte Nummern kümmern sich bitterböse um gesellschaftliche Zumutungen.
Besonders bei „Robert Smith“ wird die vorsichtige Verschiebung Richtung Wave hörbar und doch sollte man sich von dieser neuen Etikette nicht irritieren lassen. Nach wie vor ist es der zögerliche und langsame LoFi-Gitarren-Sound, der dominiert. Bonjour-Tristesse-Pop, der zwar an die Hamburger Spielart von Pop andockt, den man aber dennoch nicht allzu voreilig in eine Schule einsortieren sollte.
Keine Blumen und kein Champagner
Zurück gelehnt, abgeklärt und mitunter unterkühlt fühlt es sich an, wenn die Heiterkeit ihre Weltsicht darlegt. „Es könnte viel bedeuten“ sang Jochen Distelmeyer noch in Blumfelds „Tausend Tränen tief“, „Keine Blumen und kein Champagner. Es wird einfach nur regnen“ heißt es 14 Jahre später bei der Heiterkeit in „Tausend Tropfen Regen“.
Adressiert wird immer wieder ein „Du“, das irgendwo da draußen vermutet wird. „Es wird für dich nichts ändern. Du bist und bleibst Daddy’s Girl“ singt Stella Sommer mit ihrem unverkennbaren Timbre im titelgebenden Stück. Entfernt fühlt man sich an Ingrid Caven erinnert. So wie das Musikvideo zu „Daddy’s Girl“ entfernt an Rainer Werner Fassbinders Faible für Glamouröses in einer zerrütteten Gesellschaft erinnern mag.
Galoppierendes Pferd – cremefarbener Citroen
In einem cremeweißen Citroen werden die drei durch die Stadt chauffiert. Unbehagen löst die zugewiesene Rolle am Rücksitz des Autos aus. Mit gelangweilten Blicken trinken sie „mädchenhaft“, unschuldig aus Pappbechern mit Strohhalmen. Bekleidet in femininen Outfits, die gut der einstiegen Besitzerin des Autos gehört haben können übernehmen auch Mimik und Gestik die Vorstellung eines „Daddy’s Girl“. Mit naiver und geschichtsblinder Vintage- und Retroeuphorie hat das allerdings nichts zu tun. Viel eher ist es der Mief der Adenauer-Ära, der hier in der Gegenwart verortet und mit grenzgenialem Zynismus affirmiert wird.
In die gleiche ästhetische Kerbe schlägt das EP-Cover. Ein galoppierendes Pferd ist vor eine naturalistische Malerei montiert. Der illustrierte „Mädchentraum“ – oder zumindest das, was Daddys sich darunter vorstellen – wird mit bierernster Miene zur Disposition gestellt. Ein kollektiver Blick aus dem Fenster, danach entfernt sich das Auto und lässt die Drei alleine zurück. Was genau zwischen den Schnitten passierte, lässt das Video im Zweifel offen.
Sicher ist man sich hingegen in Sachen Glücksversprechen: „Paradies gefunden“, verlautbarte die Band kürzlich via Facebook „Es ist ein Ponyhof nahe Passau“. Bleibt zu hoffen, dass es dort einen Plattenspieler gibt, um die wunderbare EP mit der gleichen aberwitzigen Selbstironie abspielen zu können. Vielleicht folgt ja auf das Hamburger Wienerlied „Big in Vienna“ auf der nächsten Platte auch „Big in Paussau“…
"Daddy’s Girl" von Die Heiterkeit ist soeben auf Vinyl erschienen.