Wenn man denkt es geht nicht mehr, kommt irgendwo ein Lichtlein her: In unserem Fall ist das Constantin Luser. Eigens für das Belvedere entwickelte er einen bespielbaren Weihnachtsbaum.
Jedes Jahr schmückt die gediegene Sala Terrena im Oberen Belvedere ein Weihnachtsbaum. Bis vor nicht allzu langer Zeit war das immer ein besonders prachtvoll geschmücktes konventionelles Nadelexemplar der Natur. Der Belvedere-Direktorin Agnes Husslein-Arco ging der Nullachtfünfzehn-Kram aber langsam auf den Geist, weshalb sie kurzum beschloss, frisches Gehölz in die barocken Gemächer zu bringen, und das gelang ihr wohlgemerkt sogar ziemlich gut. Mit einer vier Meter hohen fleischfarbenen Phallusplastik in Latexverpackung wünschte 2010 erstmal die heimische Boygroup Gelatin ein Frohes Fest. Ein Jahr später ließ Fabian Seiz eine ungeschmückte Tanne von der Decke hängen. Zuletzt legte dann Eva Grubinger mit ihrer überdimensionalen schwarzen Christbaumkugel aus glänzendem Polyethylen nach. Wer jetzt denkt, dass da nichts mehr geht, wird bei der diesjährigen Installation dumm aus der Wäsche schauen.
Ein Klangkoloss zum Zupfen
Eigens für das Belvedere entwickelte Constantin Luser dieses Jahr nun einen Audio-Baum, dessen Geäst aus horizontal bespannten Saiten besteht, die mit Tonabnehmern und Audiosystemen verbunden sind. Das Ganze erinnert ein bisschen an einen Hackbrett-Koloss, der von kleinen Musikboxzwergen umzingelt ist. Den ersten Impuls setzt also der Besucher. Zupft man die Saiten, bringt man den Baum zum Beben, während die Audioboxen die Frequenzen nach außen tragen und den barocken Saal in einen futuristischen Klangraum verwandeln. Die Baummetamorphose klingt vielleicht surreal, ist aber ein dynamisches zu 100% bespielbares Ding.
Lusers originelle Ideenkreation lässt ja selbst die bekannte Klangkünstlerin Christina Kubisch blass aussehen. Wenn man dann auch noch durch die Werkschau des Grazers schmökert, fragt man sich, was er eigentlich noch nicht erfunden hat. In mehreren Vorgängerinstallationen beschäftigt sich Luser auf seine ganz eigene Art mit dem klassischen Instrumentenbau. Seine Werke sind förmlich ein Spielplatz der Fantasie: Da wären zum Beispiel eine Bandoneon Intensivstation, ein Trommeliglu, eine Molekularorgel aus Trompeten und ein Vibrosaurier. Die Dinger sind nicht nur lustig betitelt, sondern funktionieren auch. Lusers Hang zur Interaktivität sticht besonders hervor, denn alle aufgezählten Installationen haben eines gemeinsam: Sie sind dem Besucher zugänglich. Die Scheu der Menschen sich einzubringen ist leider weit verbreitet, weshalb Luser gerade den Mut von Kindern schätzt: Der Trommeliglu verträgt Schläge, damit der Rüssel des Dinosaurierskeletts erklingt, muss man bloß in die Trompete pusten.
An unterschiedlichen Kunstschulen erwarb der 1976 geborene Grazer drei Diplome. Seine Schwerpunkte liegen in Industrial Design, Konzeptuelle Kunst und visuelle Medien. Er hat bahnbrechende Ideen, die er gekonnt in Szene setzt. Als würden die Grenzen des Machbaren gesprengt und das Unmögliche – samt unserer Herzen – zum Klingen gebracht werden.
Ab 2. Dezember bis zum 12. Januar kann man noch im Oberen Belvedere an Lusers Weihnachtsbaum zupfen.