Left Boy plant jeden Schritt seiner Karriere seit Beginn ziemlich genau. Sein Wunsch-Album »Permanent Midnight« hat trotzdem länger gebraucht als erhofft. Doch das ist eigentlich eine ziemlich gute Sache.
Vor knapp zwei Jahren trafen wir einen jungen Mann zum Interview, der sich zu dem Zeitpunkt entscheiden musste, »ob er vom Fünf- oder Zehn-Meter-Brett springen will.« Der junge Mann hatte zu dem Zeitpunkt einige Gratis-Tracks, ein ausverkauftes Debüt-Konzert im Wiener Wuk, eine Menge Internet-Buzz und eine glorreiche Zukunft in petto. Die Veröffentlichung seines Albums im Jahr 2012 schätzte er als realistisch ein. Im Dezember 2013 sitzen wir Ferdinand Sarnitz aka Left Boy wieder gegenüber. Erschienen ist das Album immer noch nicht. Aber bald.
Was ist passiert? »Wenn ich ehrlich bin, hab ich keine Ahnung gehabt, wie aufwendig das ist. Wie viel Zeit ich brauche, bis ich damit glücklich bin.« Vier Jahre hat sich Left Boy insgesamt Zeit gelassen für sein Debüt »Permanent Midnight«. Neue Tracks dazu, alte raus. Nicht weil sie schlecht waren, sondern weil sie nicht mehr ins Konzept gepasst haben, man kennt das von anderen Künstlern. In den vier Jahren ist Ferdinand Sarnitz viel herumgekommen, hat in L.A. gelebt, in Wien und in New York. Es wurde viel geschrieben über seine Wohnung in Brooklyn, eine Künstler-WG, die er mittlerweile aufgegeben hat, an die er aber nur gute Erinnerungen hat. »Amerika war sehr wichtig. Erst die Distanz zu meiner Familie und meinen Freunden hat mir die Möglichkeit gegeben, mich total auf die Musik zu konzentrieren.« Sarnitz verneint die Frage, ob New York eine Flucht war, in jedem Interview. Aber selbst wenn – wer könnte es ihm verdenken? Den nervigen Fragen nach seinem Vater André Heller zu entgehen; den hämischen, sehr österreichischen Kommentaren; dem ständigen Verdacht, er sei einfach nur ein gelangweiltes Rich Kid, das sich jetzt eine Karriere kaufe. »Die Familie war für mich früher eigentlich nie Stigma, nicht einmal ein Thema«, erinnert sich Sarnitz. »Erst als ich erfolgreich wurde und angefangen habe, in Österreich Interviews zu geben, war das auf einmal total präsent.« So präsent, dass sich manche Interviews auch im Jahr 2013 ausschließlich um dieses Thema drehten.
Dress for the job you want
Überhaupt die Interviews. Früh beschwerten sich die österreichischen Musikjournalisten über Left Boys Angewohnheit, Interviews abnehmen zu lassen und dabei sehr viel rauszustreichen. Das sind Dinge, die man US-Stars durchgehen lässt, aber keinem Wiener Rapper ohne nennenswerten Release. Doch wenn man sich länger mit Sarnitz unterhält, beginnt man den Masterplan dahinter zu sehen. Left Boy ist an seine Karriere und an seine Presse-Arbeit immer genauso herangegangen wie an seine Konzerte: Dress for the job you want, not for the job you have. »Konzerte waren für mich bisher immer eine Investition. Dadurch wurden die Shows größer, als es sich ein Act auf meinem Level normalerweise hätte leisten können.«
Bei Left Boy ging es eben von Anfang an um mehr als die Musik. Der Begriff Gesamtkunstwerk würde zu weit gehen, aber ja: Sarnitz legt auf jeden Aspekt gleich viel Wert: »Musik, Konzerte, Videos, Merch, Packaging vom Album. Es muss alles meinen Qualitätsvorstellungen entsprechen, nichts davon darf man vernachlässigen.« Der Aspekt Live-Show war es auch, bei dem die Lokomotive Left Boy das erste Mal innerlich stockte. Und zwar eine Woche vor seinem ersten Konzert im Wiener Wuk, als Sarnitz beinah an seinen eigenen Erwartungen zerbrach und kurz vorm Nervenzusammenbruch stand. »Ich dachte, das pack ich nicht, das kann ich nicht. Ich war angespannt wie noch nie.« Das Lied »Star« auf dem Album erzählt von diesen Tagen in seinem Leben. »Letztlich war das eine unglaublich wichtige Erfahrung für mich. Ich habe lange gebraucht, mich da von dem Perfektionsdrang zu lösen. Zu merken, dass es nicht darauf ankommt, dass ich jeden Ton oder Effekt perfekt treffe, sondern dass die Leute die Energie spüren.«