Das TBA21 gab mit der Londoner Künstlerin Suzanne Treister ein Benefizdinner für Edward Snowden und sprach über menschenbeschattende Untergrundsysteme.
Was da los? Ja genau, Essen ist Ausdruck von Macht und eine Poesie in sich selbst. Im zwölfteiligen Supper Club in der TBA21 tragen Künstlerinnen und Künstler in antiker römischer Manier einem schlemmernden Publikum Performances zu aktuellen Themen vor. Auf der künstlerischen Speisekarte des Kuratorenduos Boris Ondreička und Nadim Samman finden sich unter anderem zwei große Connaisseure wie etwa Daniel Spoerri oder Peter Kubelka – der in einem Rondo-Interview (19-10-2012) mal sagte: "So wie Kunst ein Mittel ist die Gegenwart abzubilden, so ist es auch Kochen".
Dinner for Snowden
Unter dem Stern der Überwachungsgesellschaft gab das TBA21 am 6. Februar ein Benefizessen für Whistleblower Snowden. Angesichts der Spende ihres Honorars an die Avaaz-Initiative zur Asylforderung für Snowden in Brasilien schaltete sich die Londoner Künstlerin Suzanne Treister – leider nur via Skype – ein. Das feine Bankett bezirzte mit Kerzenschein und einem fünf-gängigen Menü, das aus Snowden’s Namen hergeleitet SNOWDEN ergab, also: Eine cremige Spinatsuppe mit Nüssen, gefolgt von einer Zwiebel- bzw. Oniontart, erreichte dann mit der etwas ungewöhnlichen Wienerschnitzel-Knödel (zu Englisch: Dumpling) Kombo seinen Höhepunkt, um mit Emmentaler-Apfelmet und Nougateis abzuklingen. Die Knödel schmeckten ausgesprochen gut, nur ging das Essen neben Treisters komplexem Vortrag über ihr Projekt Hexen 2.0 etwas unter. Essen und Kunst bildete hier nicht wie erwartet ein Amalgam, sondern schlicht zwei getrennte Sachen.
"All the information is out there"
Klar hat jeder vermutet, dass da irgendwas am Brodeln ist. Aber wer wusste vor Snowdens Zeit schon über die NSA oder internationalen Überwachungssystemen Bescheid, die jeden noch so kleinen Furz ausspionieren könnten? Von den knapp 30 am Dinner anwesenden Personen hob niemand die Hand und nur eine Handvoll nickten beklemmt. Man müsste auch nicht einmal irgendetwas vermuten, weil das Internet eh alles bereit hält, vorausgesetzt man sucht. "All the information is out there", erklärt Treister, die in Hexen 2.0 die komplexen Prozesse um die Entwicklung einer Überwachungsgesellschaft seit Mitte des zwanzigsten Jahrhunderts dokumentiert.
Hexen 2.0 bildet eine Reihe an Diagrammen, Zeichnungen, Videos und Tarotkarten, die Treister zwischen 2009 und 2011 anfertigte. Darin schwirren Namen und Profile internationaler Wissenschaftlerinnen, Literaten, Politiker, Informations- und Überwachungssysteme in einer Blase ohne Hyrarchien oder Direktionalität. Psychologen, Soziologen und Neurologen scheinen da auf, die sich in irgendeiner Form schon seit den 40er Jahren mit dem Thema rund um Netzwerke und Überwachung befassten. Die kunstvollen Feinarbeiten erinnern schwer an ein alchemistisches Laboratorium: Denkt man an den Wiener Konzeptkünstler Thomas Feuerstein könnte man sagen distilliert Treister wie eine Zauberin unsichtbare Prozesse zu Diagrammen.
"I’m a bloody island! I’m Ibiza!"
Bei dem Informationsüberschuss bleibt einem nur schwer zu schlucken. Das Thema bleibt konfus und die Skizzen haben etwas von unscharfen Verschwörungstheorien. Klar ist die Auflösung jeglicher Cyber-Privatsphäre intolerabel, aber wie es weiter geht bleibt hier leider offen. Die Politik zieht nur langsam und beklemmt mit Konsequenzen nach und die Bürgerinnen und Bürger ebenso. Wir sind genau so schlau wie zuvor und fragen uns, ob Snowdens Fall auch nur irgendwen veranlasst hat sein Facebook-Profil zu schließen und Quizduell als auch alle sonstigen Apps zu löschen. Vermutlich nicht – wir sind im Gegenteil zu Hugh Grant in "About a boy" nicht Ibiza, sondern nur gewöhnliche Rudeltiere.
Nächste Termine im Supper Club: 20. Februar – AO&: FANCAMP, 5. März – SUPERFLEX: TOOLS, 20 März – Anton Vidokle, Julieta Aranda & e-flux: TIME/FOOD, 10. April: Ragnar Kjartansson: ISLÄNDISCHE FISCHSUPPE, 17. April: Alex Williams & Nick Srnicek: SLOW FOOD kontra AKZELERATIONISMUS