Die an der Nahtstelle von Spionage-Thriller und Ehedrama anberaumte Serie »The Americans« erwies sich als eine der erfreulichsten TV-Neuentdeckungen. Nicht ganz unschuldig daran: der schlaue Einsatz zeitkolorierter Musik.
Das eine Ass im Ärmel, das Alleinstellungsmerkmal, um sich von allen abzuheben. Gut zu haben, schwer zu finden – selbst dort, wo im Serienformat erzählt wird, also die Story korrigiert und verfeinert werden kann und Haken geschlagen werden. Viele Nischen sind schon besetzt – das mag die einem permanent den Teppich unter den Plot-Pantoffeln wegziehende Twist-Fixierung sein oder die bis ins Comichafte gehende Charakterzeichnung, der Hang zum Hyperrealismus oder das Faible für existenzphilosophische Exegesen. Im Falle der Spionageserie »The Americans«, die bereits gebührend Widerhall gefunden hat und nun in der zweiten Staffel ankommt, ist es schlicht und einfach: die gute alte Tante Popmusik.
Von »Breaking Bad« und »The Sopranos« mal abgesehen, dürfen sich Serienschöpfer Joe Weisberg und Music Supervisor Janice Ginsberg bei ihrer musikalischen Selektion zur unbedingten Spitzenklasse zählen. In der Schläfersaga rund um ein Anfang der 80er Jahre in der All-American-Vorstadtidylle von Washington D.C. incognito operierendes KGB-Agenten-Ehepaar sitzen die Haarteile und Toupets mitunter sehr windschief, während der Soundtrack äußerst passgenau ausfällt, von gut abgehangenen Meilensteinen bis zu obskuren Heldentaten aus kühlem New Wave, schnittigem Post Punk und käsigem Proto-Synth-Pop. Sie alle arbeiten der gereizten Kalter-Krieg-Atmosphäre leitmotivisch zu. Was im Piloten mit einer denkwürdig von Fleetwood Macs – man möchte fast meinen: vergessener – Perle »Tusk« unterlegten Sequenz losging, sich im Verlauf der Staffel mit dem smarten Einstreuen von The Cure, Fad Gadget und Echo & The Bunnymen fortsetzte, fand schließlich seine unumstrittene Klimax im, no na, ein wenig ostentativ und dennoch so wirkungsvoll mit Peter Gabriels »Games Without Frontiers« unterfütterten Cliffhanger.
Es wird nun für das weitere Gedeih dieser erfreulichen Neuentdeckung (Staffel 2 ist Ende Februar in den USA via dem Kabelkanal FX, der sonst auch noch »Sons Of Anarchy«, »Justified« oder »American Horror Story« am Spielplan hat, gestartet) also nicht wenig davon abhängen, ob sich das mit den actionbegleitend ausladenden und emotional einladenden Musikmischungsbeigaben noch einmal so profund ausgeht. Und freilich auch davon, ob man die Grundkonstellation des ermüdenden Gewerbes der Geheimdienste, der allseitigen Dauerparanoia und einer geladenen Mann-Frau-Beziehung, die man sich mit »Homeland« teilt, nicht nur ein wenig abschütteln, sondern sie vielleicht sogar in besser gelüftete Regionen transportieren kann als dies noch der aus der universellen Gnade gefallenen, einstigen Konsensserie mit Claire Danes gelungen ist. Wenn einem auf dieser Mission dann erneut Roxy Music von der Klangspur entgegenschallen sollten: umso feiner.
Die zweite Staffel von »The Americans« läuft in den USA derzeit auf FX Networks. Im deutschen Sprachraum wird »The Americans« auf Pro 7 Maxx ausgestrahlt.