Vor kurzem wurde Peter Bogner, langjähriger Leiter des Wiener Künstlerhauses, zum neuen Direktor der Friedrich und Lillian Kiesler-Privatstiftung bestellt. Im Interview erzählt er von seinen Plänen für die Stiftung und das Kiesler-Jubiläumsjahr 2015 und seinem Wunsch nach mehr Ausstellungsfläche.
In den USA zählt Friedrich Kiesler zu den großen Namen in der internationalen Kunst- und Architekturszene der Zwischen- und Nachkriegszeit. Warum ist er bei uns noch immer so wenig bekannt?
Österreich hängt zu sehr an der Kunst um 1900, an Klimt, Schiele oder Kokoschka. Dass es auch danach wichtige Beiträge zur Kultur- und Geistesgeschichte gegeben hat, wird oft vergessen. Und genau da wollen wir jetzt ansetzen, der neue Präsident der Friedrich Kiesler Stiftung, Hani Rashid, und ich. Wir wollen vermehrt Kieslers Leistungen in den Bereichen Architektur, Bildende Kunst, Theater, Design usw. zeigen und dabei einen Bogen bis ins 21. Jahrhundert spannen.
Was planen Sie konkret?
Es soll eine stärkere internationale Vernetzung geben. Wir wollen zum Beispiel eine Basis in New York. Hani Rashid hat aufgrund seines dort ansässigen Studios ganz andere, direktere Netzwerke. Und wir werden versuchen, das Thema hier in Österreich auf eine breitere Basis zu stellen. Eine Möglichkeit dazu ist der Kiesler-Preis, einer der höchstdotierten Kunst- und Architekturpreise, den wir alle zwei Jahre und heuer bereits zum 9. Mal vergeben. Aus dem heraus soll sich vor allem für 2015 etwas entwickeln, da ist nämlich Kiesler-Jubiläumsjahr anlässlich des 50. Todestages und des 125. Geburtstages.
Hier bieten sich Kooperationen mit internationalen Institutionen und Museen an. Auch die Themen Jewish und Visionary Vienna spielen zum Beispiel eine Rolle. Es geht also darum, Verbindungslinien über einzelne Epochen und Disziplinen hinweg aufzuzeigen. Letztlich muss man sich aber im Klaren darüber sein, dass das Dekorative von Wien um 1900 leichter zu rezipieren ist als das Werk Kieslers, ob das jetzt das Visionäre, Offene seines Endless House ist oder die Theorie des Correalismus.
Gutes Stichwort. Wie würden Sie jemandem in fünf Sätzen Kieslers „Correalismus“ erklären?
Es ist das Konzept und die Theorie Kieslers, im gegebenen Fall jedes Material, jedes Medium, jedes Konzept zu verwenden, um Ideen umzusetzen – sei es in Objekte, Installationen, Kunstwerke oder Bauten. Die Freiheit, als Künstler zu entscheiden, wie materialisiere ich meine Ideen, ob als Bildhauer, Designer oder einfach interdisziplinär. Aber das war jetzt fast schon wieder zu lang, oder? Jedenfalls ist der Correalismus der Grund für Kieslers hohe Aktualität heute: Er hat die interdisziplinäre Arbeitsweise von Künstlern, Architekten etc. vorweggenommen. Deswegen werden ja auch mit dem Kiesler-Preis KünstlerInnen ausgezeichnet, die genau diesen offenen Blick haben.
Und welcher Aspekt an Kiesler fasziniert Sie persönlich am meisten?
Der hohe Level seines Diskurses, den er auf internationalem Niveau ausgetragen hat. Und zugleich die Fähigkeit, seine Theorien auch praktisch umzusetzen, zum Beispiel in Form der Galerie für Peggy Guggenheim, die ja neue Wege aufgezeigt hat.
Die Friedrich Kiesler Stiftung wurde vor 17 Jahren gegründet, als der Nachlass nach Österreich geholt wurde. Wo steht denn die Institution heute? Gibt es ungenützte Potenziale?
Meine Vorgängerin Monika Pessler hat hier einen hohen Standard eingeführt. Die Kernkompetenz der Stiftung besteht darin, den Nachlass aufzuarbeiten. Hier ist ein enormer Fundus vorhanden, hier ist eine permanente Kollektion, hier ist Know-how aufgebaut worden. Das Ungewöhnliche dieser Institution ist es, dass sie das 20. mit dem 21. Jahrhundert, dass sie Disziplinen wie Architektur, Design, Mode oder Fotografie verbindet. Das ist das Alleinstellungsmerkmal dieser Institution, das allerdings noch viel zu wenig wahrgenommen wird. Das soll verstärkt werden.
Wie wollen Sie das als kleine Institution schaffen?
Wir sind an unserem Standort in der Mariahilfer Straße räumlich stark begrenzt, daher wollen wir eine andere Location, eine neue Ausstellungsmöglichkeit finden mit einer permanenten Schaustellung unserer hochkarätigen Sammlung. Wir haben ja nicht nur das Modell des Endless House, sondern auch fantastische Kunstwerke, Entwürfe und Fotografien. Aber auch Arbeiten der bisherigen Kiesler-Preisträger gebe es zu präsentieren, da ist Olafur Eliasson dabei, Heimo Zobernig oder Frank Gehry.
Dadurch ergeben sich Möglichkeiten, die aktuellen Bezüge zu Kiesler direkt zu zeigen. Und es soll Wechselausstellungen geben, die sich auf das Visionäre Kieslers beziehen. In Zukunft soll man also, wenn man nach Wien kommt, nicht nur Klimt anschauen können, sondern auch den „Kiesler Space“. Natürlich hängen diese Pläne von den finanziellen Mitteln ab, die uns zur Verfügung stehen.
Was, wenn es in Zeiten des Sparens nicht gelingt, zusätzliche Subventionen zu erhalten?
Dann gäbe es als Alternative die Möglichkeit, eine Ausstellung mit mehreren Stationen zu machen, etwa in New York in der Neuen Galerie oder im MoMA, aber auch dort, wo Kiesler noch nicht so präsent ist. Zum Beispiel in Berlin, denn es gibt auch Bezüge zum Bauhaus, in Holland, wo es Bezüge zu De Stijl gibt, oder in Israel, wo es aufgrund seines einzigen realisierten Baus per se, dem Shrine of the Book, Sinn machen würde. Aber auch sein Geburtsort Czernowitz hat sich interessiert gezeigt.
Wenn es gelingt, Kiesler aus dem Elfenbeinturm zu holen, kann Wien nur davon profitieren. Dass das Interesse da ist, beweist ja zum Beispiel die Ausstellung, die im Theatermuseum zu sehen war, dann in der Villa Stuck in München gezeigt wurde und danach in Madrid. Auch in der Wien-Berlin-Ausstellung, die nun im Belvedere zu sehen ist, ist Kiesler vertreten.
Sie waren lange im Künstlerhaus, einem großen Haus, das zwar mit strukturellen und finanziellen Problemen zu kämpfen hatte, aber von der Dimension her schon ein anderes Kaliber ist. Die Friedrich Kiesler Stiftung ist eine kleine Kulturinstitution mit überschaubarem Budget. Wie kann man aus dieser Not eine Tugend machen?
Wir haben neben einer exzellenten Sammlung nicht nur ein exzellentes Team, sondern auch viele Kontakte, etwa über die Stadt Wien, die mit Geld nicht aufzuwiegen sind. Und auch Hani Rashid wird seinen Einsatz bringen.
Sie wollen ihn also in die Pflicht nehmen?
Ja, natürlich, das wird er, schließlich ist er ja Präsident. Und schon sein Vorgänger, Dieter Bogner, hat gezeigt, dass man auch mit einem schmalen Budget viel bewirken kann, wenn man sein Netzwerk und seine Partner einspannt. Die „Familie Kiesler“ ist also tätig, es ist ja fast schon eine „Kiesler-Sippe“. Und die werkt und wirkt auch!
Die Ausstellungen in der Kiesler-Stiftung kann man von Montag bis Freitag zwischen 9 und 17 Uhr und Samstags von 11 bis 15 Uhr besuchen.