Die neue Ausstellung im Architekturzentrum Wien zeigt Beispiele engagierter Architektur der vergangenen Jahre. Die ist weniger politisch, sondern pragmatisch. Auch aus Österreich kommen etliche Impulse.
Vor zehn Jahren zeigte das Architekturzentrum Wien (AZW) eine Schau, die das gängige Bild von zeitgenössischer Architektur um eine wichtige Facette bereicherte: Bauen für sozial Schwache. Präsentiert wurden die Projekte des »Rural Studio«, einer 1993 gestarteten Initiative der Auburn University, die im westlichen Alabama, einer traditionell armen ländlichen Region, tätig wurde. Architekturstudenten begannen ihre Projekte mit kleinem Budget (und teils mit Recyclingmaterialien), dafür aber mit großem Engagement zu planen. Bei der Errichtung sollten die zukünftigen Benutzer selbst mit Hand anlegen und dadurch die Identifikation mit den Projekten deutlich erhöht werden. Für die Studierenden wiederum bot sich die einmalige Gelegenheit, vom Trockentraining ins echte Leben zu wechseln. Das Projekt wurde weltweit wahrgenommen und nachgeahmt. So auch in Österreich, nicht zuletzt aufgrund der Ausstellung im AZW.
Globales Architekturversagen
Damals entstand an der TU Wien das erste der sogenannten Design Build Studios unter der Leitung von Peter Fattinger. Im Laufe der Jahre kam es zu verschiedenen Projekten in Afrika und Asien, bei denen Studierende nicht nur mit einer komplett anderen sozialen Realität konfrontiert wurden, sondern ihre Lösungskompetenz unter Beweis stellen konnten. Was in den 90er Jahren in den USA als zartes Pflänzchen begann, hat sich mittlerweile zu einem global relevanten und beachteten Phänomen entwickelt: Fast scheint es, als hätten sich Architektur-Interessierte, Museen und Medien an der viel beschworenen »Star-Architektur« sattgesehen. Andres Lepik, Kurator der Ausstellung, die in Kooperation mit dem Deutschen Architekturmuseum in Frankfurt am Main entstanden ist, geht überhaupt mit der westlichen Architektur hart ins Gericht. Angesichts der rasant wachsenden Megastädte und grassierender informeller Siedlungen könne man nur vom Versagen sprechen. »Die ›formelle‹ Architektur verliert weiter an Relevanz, weil ihre Möglichkeiten von einer überwältigenden Mehrheit der globalen Bevölkerung einfach nicht mehr wahrgenommen werden. Architektur schafft hier keine Angebote und hat hier keinen Markt.«
Lepik weiß, dass diese Tendenz nichts Neues ist. Während die soziale Komponente bei der Architektur-Avantgarde der Zwischenkriegszeit noch eine wichtige Rolle spielte – Hannes Meyer, Direktor des Bauhauses, bezeichnete Gestaltung einst als »Dienst am Volke« –, führte das industrialisierte Bauen nach 1945 zunehmend zum Entstehen öder Wohnblöcke, bei denen die Frage nach dem Glück der Menschen zur Nebensache wurde. Selbstverständlich gab es immer wieder Versuche, diese Dominanz aufzubrechen. Einer davon war die berühmte Ausstellung des Österreichers Bernard Rudofsky, der 1964 im MOMA in New York »Architecture without Architects« ins Zentrum rückte. Andres Lepik kuratierte fast 50 Jahre danach ebendort eine Ausstellung zur sozialen Ader von Architektur. Mit »Afritecture« brachte er das Thema auch nach München.
Kooperativen ohne Ideologie
Die Ausstellung »Think global, build social! Bauen für eine bessere Welt« in Wien präsentiert nun 22 Projekte, die jeweils einem der fünf Themenkapitel – Material, Wohnen, Partizipation, Kultur, Design Build Programme – zugeordnet sind. Auf die bekannten Namen der Szene trifft man natürlich, so etwa auf den umtriebigen Francis Kéré, den nicht nur Schlingensief-Fans kennen (Kéré ist der Architekt des berühmten Operndorfes). Er studierte Architektur in Berlin und baute in seinem Heimatland Burkina Faso viel beachtete Schulen. Doch auch weniger bekannte Namen sind vertreten, so etwa die Kounkuey Design Initiative, die sich dem »Slum upgrading« in Kenia verschrieben hat.