All You Need Is A Hug

Die Riahi-Brüder machen uns auf eindrucksvolle Weise verständlich, dass es Clowns, Brüste und Umarmungen sind, die die Welt verändern.

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2009 wollten Arash und Arman Riahi noch einen Film über die grüne Bewegung nach den vermeintlich gefälschten Wahlen im Iran machen. Auf einmal hat sich alles überschlagen: der Arabische Frühling ist ausgebrochen, Wall Street wurde okkupiert, Indignados sind auf die Straße gegangen und Femen-Aktivistinnen haben ihre Brüste gezeigt. Aus dem Dokumentarfilm wurde ein Cross-Media-Projekt; und eine zeitgemäße Hommage an gewaltfreien Widerstand. „Everyday Rebellion“ zeigt auf, dass die Revolution in unserem Alltag anfängt.

„Ich spreche nur durch ein Megafon, und gebe Umarmungen. Sie brauchen einfach nur eine Umarmung.“ Was ein Mitglied der Aktivistengruppe „The Yes Men“ humorvoll durch die Umarmung eines Polizisten ausdrücken möchte, ist stark vereinfacht der Plot zu „Everyday Rebellion“. Widerstand muss zwar auf der Straße passieren, soll aber keineswegs Gewalt beinhalten. Gewaltfrei funktioniert er sogar doppelt so gut: das wurde anhand von Daten aus den Jahren 1900 bis 2006 empirisch festgehalten.

Revolution kann mit einem Tischtennisball beginnen

Die Offenheit und Kreativität mit der die Riahi-Brüder das Thema aufbereiten, entspricht der des Themas: gewaltfreier Widerstand kann alles sein, was niemandem weh tut. Er darf zum Lachen, Nachdenken und Weinen bringen. Er kann aus Luftballons, Küchengeräten, Nacktheit, Demos oder Tischtennisbällen bestehen. Im Grunde geht es immer darum zu zeigen, dass jemand mitdenkt und dagegen ist. Und, dass es viele sind. Über einen längeren Zeitraum hinweg, bekommt so ein wachsender Anteil der Bevölkerung das Gefühl, sich nicht unterdrücken lassen zu müssen. So beginnt Revolution.

Arman und Arash hatten die Zeit auf ihrer Seite: als sie sich 2009 mit der Grünen Bewegung im Iran auseinandersetzten, sprach niemand über Assad, Mubarak oder Occupy. Als sich weltweit immer mehr gewaltfreie Bewegungen entwickelten, war schnell klar: der Film braucht ein offenes Format, dass sich unvorhersehbaren Entwicklungen anpasst und eine zeitgemäße Dramaturgie. Das Ergebnis kombiniert emotionale Momente mit essayistischen Elementen, die das Erlebte theoretisch untermauern. Hautnah erleben wir mit der Femen-Aktivistin Inna Schwetschenko, wie sie aus der Urkaine ins französische Exil flieht, wie Aktivisten in New York friedlich demonstrieren und dafür zu Boden geschlagen und verhaftet werden, oder wie eine iranische Demonstrantin vor laufender Handykamera von Scharfschützen erschossen wird.

Activist Generated Content

Diese persönliche Perspektive ist den Filmemachern auch gelungen, da sie fließend zwischen den Rollen der Filmemacher und Aktivisten hin- und hergewechselt haben: sie haben Banken gestürmt, sie haben gefilmt und sie wurden verhaftet. Sie haben Aktivisten ihre Ton- und Videodateien zugespielt. Und sie wissen wie man mit neuen Medien umgeht: das Gros der Filmsequenzen aus Syrien setzt sich aus User Generated Content, also (Handy-) Videos von Aktivisten und Aktivistinnen zusammen.

Die aufgebauten Bilder werden durch theoretische Untermauerungen von Erica Chenoweth und Srdja Popovic gefestigt. Chenoweth beweist durch ihre Doktorarbeit und Forschungsarbeiten die wissenschaftliche Relevanz des Themas, und Popovic ist dank Otpors gewaltfreiem Umsturz von Slobodan Milosevic lebender Beweis für den Erfolg der Strategie.

1500 Stunden Material

Um das inspirierende Plädoyer für die Utopie einer gewaltfreien Gesellschaft zeitlos am Leben zu erhalten, wurde der Kinofilm in ein Cross Media-Projekt eingebettet: auf everydayrebellion.net werden kreative, gewaltlose Methoden und Taktiken in Form von Videos, Kollaborationen und Artikel gesammelt. Auf einer Smartphone-App sollen Aktivisten und Aktivistinnen unterstützt und ein spielerischer Zugang zur gewaltfreiem Widerstand vermittelt werden. Gemeinsam mit Arte werden Kurzvideos produziert, die auch auf der Plattform abrufbar sind. So wird mehr der 1500 Stunden an gesammeltem Filmmaterial verwertet.

„Everyday Rebellion“ ist nicht umsonst mehrfach preisgekrönt, denn die Riahi-Brüder haben beeindruckend festgehalten, wie man als moderner Filmemacher ein relevantes Zeitzeugnis einer Bewegung festhält: sie haben schnell auf sich rasant ändernde Umstände reagiert und auf unterschiedlichste Quellen zurückgegriffen. Sie bespielen vielfältige Kanäle und sind Kooperationen eingegangen um Inhalte auch langfristig aktuell zu halten. „Everyday Rebellion“ ist ein inspirierendes Pazifismus-Plädoyer, welches eine vermeintlich anteilnahmslose Generation zeitgenössisch am Smartphone abholt.

"Everyday Rebellion" ist ab 21. März in den österreichischen Kinos zu sehen. Auf der Multimedia-Plattform können Kurzvideos, sowie Methoden und Tipps zu gewaltfreiem Widerstand abgerufen werden.

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