Nach jahrelanger Zusammenarbeit haben die beiden Linzer Polifame und Mirac zusammen mit DJ Chrisfader ein gemeinsames Album fertig. Es ist Mundart-Rap ohne Konzept. Vielfalt und Chaos, Aufruhr und Krach.
Der rote Faden ist manchmal auch ein zweischneidiges Schwert. Mal dient er als Wegweiser durch ein Labyrinth, dann wieder kommt er als Fessel zum Einsatz. Auf Kreuzwort fehlt er jedenfalls beinah völlig. Sowohl textlich wie auch musikalisch fegen Polirac eineinhalbmal durch den Gemüsegarten. In den Texten befassen sie sich gleichsam mit dem Ernst des Lebens wie auch, unter anderem, mit den Wundern des Waschtags. Die Beats sind dabei teils gutes altes Kopfnickmaterial, teils höchstgradig stressiges Dubstepgedudel. „Humpel-Beats“ nannten das die Jungs dann selbst in einem Interview mit themessage.at. Dort erklärten sie auch, dass dieses Fehlen eines Überthemas bei fünf Jahren Produktionsdauer keinen wundern darf. Und dass sich daraus außerdem der Albumname ergibt. Wirrwarr in selbstreflektiert also, stattgegeben.
Rote Bar, Morisson, Badeschiff – Wo is die Jackn?
Ein solcher Mix an Stilrichtungen ist allerdings schon gewöhnungsbedürftig. Bei den Texten fällt es noch nicht negativ auf, selbst bei jedem noch so ernsten Album ist ja auch noch Platz für ein bisschen Unfug, inhaltliche Abwechslung ist im Gegenteil eh anstrebenswert. Gleich nach dem Intro erläutern Polirac in „Bin dafür baut“ erstmal ausführlich und in aller Realness, wieso sie fürs Game geboren sind. Nur um danach dreieinhalb Minuten lang über alle Vorzüge des Wäschewaschens zu plaudern. So geht’s munter weiter. „Dissonanz“, möglicherweise das Kronjuwel des Albums, beschreibt die graue Atmosphäre einer Metropole. „Nr. 1“ ist ein Lied über Charthits, bestehend aus deren Titeln – do muss I schmunzeln. Außerdem gibt’s da noch Beratungsresistenz, Fortgehexzesse einmal kreuz und quer durch Wien, Schlaflosigkeit und Sex. Zumindest ein durchgehendes Thema hat’s dann doch noch auf die Scheibe geschafft. Das Quartett aus „Staubschicht“, „Zweitplanet“, „Words of Advice“ und eben „Bin dafür baut“ ist ein kollektiver Aufruf zum Aufbruch, zur aktiven Selbstfindung.
Im Club fetzt es – auch in den Ohren
Problematischer wird es dann bei den Beats. Menschliche Ohren mögen Harmonie. Dabei sind sie recht flexibel, solang das Gehörte konsequent bleibt. Als Hörer möchte man sich meistens auf ein Klangbild einstellen können. Hier leider nicht machbar. Auf ruhig folgt wild, Kopfnicken wird zu Headbangen, und nochmal von vorn. Gleich vorweg, wer mit Dubstep nichts anfangen kann, der wird sich bei etwa 40% der Tracks Ohrenkrebs einfangen. Davon abgesehen ist die Untermalung ausnehmend synthie- und scratchlastig. Musik und Text fügen sich manchmal nicht zu einem harmonischen Ganzen zusammen, sondern konkurrieren um die Aufmerksamkeit des Hörers. Und in diesem Streit verlieren dann automatisch alle drei Parteien. Eventuell hatten Polirac und besonders DJ Chrisfader hier schon die Livetauglichkeit des Albums im Sinn, im Club fetzen diese Tracks nämlich wohl gewaltig. Aber es gibt ja auch die ruhigeren Tracks, dabei kommt dann sogar mal Ohrenbalsam in Form von Blasinstrumenten zum Einsatz. Das ist eben der Vorteil an der Vielfalt, irgendwas ist dann doch für jeden dabei.
Ein Zacken mehr Konstanz würde diesem Duo allerdings gut tun. Auf dem Debütalbum kann man dieses Durcheinander verzeihen, so ein gemeinsamer Stil will ja auch erstmal gefunden werden. Vor allem in den reifen, bedächtigen Stücken zeigen Polirac viel Potenzial, die Chemie zwischen den beiden MCs passt ebenfalls. Und ein Hauch Unfug ist ja auch willkommen. Selbst beim noch so textgewaltigen Hip Hop sollte die Trommelfellfreundlichkeit nur nicht allzu kurz kommen.
"Kreuzwort" von Polirac ist bereits erschienen. Ja, wir haben es bis jetzt ein bisschen übersehen.