Puber hat sich zamgrissen: Vom Aggro-Tagger zum Duckmäuser wurde er trotzdem für schuldig befunden. Wofür jetzt genau?
Kennt ihr dieses Interview schon? Ein Schweizer Kollege, der dem Verfahren beiwohnte, erzählte kurz nach dem Prozess, dass er mit dem Journalisten, der dieses Interview 2010 führte, Fotos verglichen hat. Renato S. ist dieser Puber. Puber ist nicht einfach ein gehypter Tag. Es ging um Narzissmus. Er wollte seinen Namen lesen. Zuerst in Zürich, dann in Wien. Das ist nicht besonders sympathisch, aber darum geht’s nicht. Vier Monate saß jetzt in U-Haft. Gestern ging er heim.
Brennende Fragen und Puber sagt Sorry
Renato tut es leid, sagt er. Er möchte sich entschuldigen, dass er sich zu dieser Tat hinreißen hat lassen. Erst gegen Prozessende stellt der Staatsanwalt die brennende Frage: Was heißt eigentlich Puber und was war seine Motivation dahinter, das zu verbreiten? Man versteht ihn kaum, weil er so leise wird. Er sagt, er habe sich nichts dabei gedacht. Es war einfach nur ein gehypter Schriftzug, ein Tag, der rumging. So ganz glauben wir diese Argumentationslinie ja eigentlich nicht, aber zum Glück wird man nicht aufgrund der Meinung von Redakteuren verurteilt, zum Glück gilt im Zweifel die Unschuldsvermutung. Und es gelten Fakten. 233 solcher Fakten waren es, die in wirklich mühsamer Kleinarbeit durchgegangen worden sind. Und nur sehr wenige dieser 233 Fakten kann man ihm eindeutig zuordnen.
Gelangweilte Jusitz
Unser Glaube an die österreichische Justiz ist nach Urteilen wie dem im Fall von Josef S. nicht unbedingt an seinem Höhepunkt. Das Urteil für Renato S. fällt ähnlich österreichisch wie das von Josef S. aus: beide schuldig und zu teilbedingter Haft verurteilt, beide dürfen nach Urteilsverkündung heimgehen. Mit dem Unterschied, dass bei Josef S. die Sachlage weitaus dünner war, ein einziger Belastungszeuge nämlich.
Die wollten nichts Böses
Renato S. ist allerdings (zumindest teil-)schuldig. Es gibt Fotos und Zeugen. Das beweist natürlich nicht im Mindesten, dass er für alle Puber-Tags verantwortlich ist, aber dafür wurde er auch nicht verurteilt. Für die Fälle, die man ihm „mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit“ nachweisen kann, ist er als schuldig befunden worden. Man hatte nun nicht das Gefühl, der Richter sei auf der Suche nach einem Sündenbock für alle Puber-Tags in Wien gewesen – eher genervt von Bürokratie und chaotischen Beweisfotos, und bemüht, das Verfahren so unkompliziert wie möglich zu einem Ende zu bringen.
Vielleicht sind die Schweizer besser in Bürokratie
In der Schweiz ist ja auch noch ein Verfahren gegen Renato S. offen, die dortige Staatsanwaltschaft spricht angeblich von einem sechsstelligen Schaden. Man würde den Schweizern ja fast zutrauen, dass sie die Schäden und Beweise besser dokumentiert haben als die österreichische Polizei. Der Strafantrag war nämlich dezent chaotisch. Leicht hatte man es wohl eh nicht. Vom Medienhype beflügelt trudelten laufend neue Anzeigen ein, mit sich ständig ändernden Schadenssummen. Selten konnten Opfer den Tatzeitpunkt eingrenzen. Irgendwann war halt ein Tag da. Gehma jetzt auch anzeigen. Schaden: 10.000 Euro! War doch nur 450. Da soll sich einer auskennen.
Aggro-Tagger ohne Beweise
Laut Staatsanwaltschaft hörten die Anzeigen in Zürich 2011, also nachdem er nach Wien kam, auf. Und bis er geschnappt wurde, schien Puber auch stolz auf seine Berühmtheit zu sein: ein Journalist war kurz vor seiner Festnahme an ihm dran und wollte ein Interview. Er hätte es auch gegeben, aber er wollte Geld und schickte die Schwester zum Verhandeln vor. Das passt schon eher in das Bild des aggressiven Sprayers, der keinen Respekt vor den Werken von renommierten Street Artists hat, schon mal handgreiflich wird und seinen Namen überall sehen will. Er scheint auch keine Meinung oder politische Message zu haben, wirkt als Person mäßig interessant.
Aber am Ende des Tages ist das, was er tut, schwer bis gar nicht nachzuweisen. Für das nachgewiesene Verschulden wirkt das Strafausmaß hart. Der Fall hat mindestens ein Jahr lang die Medien beschäftigt, die mal endlich wieder ein neues Thema hatten. Und war ein beliebtes Mittel, um im Freundeskreis rauszufinden, ob man Street Art nun nur als nette Stadtbehübschung sieht, die sich bitte an Regeln zu halten hat – oder ob man auch Sympathien hat für einen Typ, der die Stadt mit seinem Zeichen zubomben will. Unterm Strich ist es aber noch immer nur Farbe, und das ist jetzt nicht Judikatur, aber man kann eine Wand auch noch als Wand verwenden, wenn Puber draufsteht.
Anregungen und Tags werden auf Twitter entgegengenommen: @TeresaHavlicek.