Retro-Serien gab es schon immer. Im Zuge des neuen Serienbooms gewinnen sie wieder an Bedeutung. Aber warum interessiert uns das eigentlich so sehr?
Retro ist jetzt schon seit Längerem die bestimmende Design-Maßeinheit. Ob in den meisten Läden diesseits der Donau, in den Konsumangeboten der Werbeindustrie oder auf den Laufstegen zwischen Mailand und New York. Natürlich musste auch das Fernsehen auf Retro reagieren, das immerhin die meisten wiederaufgenommenen Jahrzehnte – 1950er bis 1990er – selbst begleitet hat, und der neu erwachten Liebe am alten Design etwas entgegensetzen. Dazu gehören unsägliche Nostalgiesendungen im Hauptabendprogramm, aber zum Teil eben auch richtig gute TV-Serien.
Retro: Vintage
Natürlich schielten Fernsehserien schon immer in Richtung Vergangenheit, mit Westernklassikern wie »Rauchende Colts« (ab 1955) oder »Bonanza« (ab 1959), die um 1870 spielen oder dem wegweisenden Crime-Drama »The Untouchables« (ab 1959), das cirka 30 Jahre davor spielte. Wenn man sich heute diese Serien ansieht, sind diese allerdings nicht wirklich »retro«. »Vintage« wäre richtiger. Obwohl meist gleich verwendet, bezeichnet vintage das, was tatsächlich alt ist. Retro können nur neue Produktionen sein, die mit der Ästhetik von alten Serien spielen und dementsprechend häufig storytechnisch in der Vergangenheit angesiedelt sind. »Masters Of Sex« ist retro, »Dallas« ist vintage, »Bonanza« sogar beides. Got it?
Retro / Boom
Es gab also immer schon genügend Serien, die im Damals spielten. In den letzten Jahren kamen aber neue Qualitäten hinzu und das Angebot an nostalgischen Serien stieg rapide. Selbst wenn man kleinere Produktionen außer Acht lässt, kann man auch bei den großen Budgets einen massiven Anstieg an Retro beobachten. So waren 2014 insgesamt 45 historische Serien und Fernsehfilme für einen Emmy nominiert. Dort zählten eher neuere Serien wie »Downton Abbey« oder »Fargo«, das ja 2006 spielt, zu den größten Gewinnern. Auch der hierzulande nahezu unbekannte Fernsehfilm »The Normal Heart«, der starbesetzt die AIDS-Welle der 80er Jahre in New York thematisiert, konnte reüssieren (große Empfehlung an dieser Stelle).
Zwei jüngere Glanzlichter: Bei »The Knick« führt Clive Owen den Trend weiter, dass Schauspieler der Kinoleinwand immer öfter im TV-Format vorbeischauen. Im Herbst werden etwa Matt Dillon, Ryan Philippe oder Laurence Fishburne folgen. Owen spielt seit August im von Steven Soderbergh gedrehten »The Knick« einen Arzt, der um 1900 ein innovatives Hospital leitet und dabei vor allem mit seinem Privatleben und seinen Süchten kämpft.
Ganz anders stellt sich die zweite, mit höchsten Erwartungen versehene Serie dar: »Gotham«, das Prequel zu sämtlichen »Batman«-Sagas, hat von den übermächtigen Kinovorlagen her ein schweres Los zu tragen. Der Kriegsveteran Jim Gordon – gespielt von »O.C. California«-Hartschaler Ben McKenzie – hat gerade bei der Polizei angefangen und muss in der Stadt der Sünde mit Klein- und Großkriminellen, die später zu Bruce Waynes Haus- und Hoffeinden werden sollten, aufnehmen. Noch dazu soll er dabei sein Ego in den Griff bekommen. »Gotham« versprüht seinen Glanz vor allem dann, wenn man meint, Referenzen an »Batman«-Filme zu erkennen. Und – Spoiler – die gibt es reichlich. Das Binge Watching-Potenzial ist riesig. Verpasst man eine Folge, verpasst man womöglich auch den ganz jungen Joker. Auch wenn »Gotham« nicht bewusst in einer bestimmten realen Dekade spielt, schreit die gesamte Serie nach den 70er bis frühen 80er Jahren. Autos, Waffen, Kleidung, Technik. Alles kein Zufall, wie wir bald sehen werden.