Anita Augustin führt an die Abgründe der Gegenwart und an die seelisch kaputten Ränder der Gesellschaft. Mit grimmigem Humor zelebriert sie das Absurde im Naheliegenden. Trist? Natürlich – aber auch schrecklich komisch.
Hebt Anita Augustin an, Geschichten zu erzählen, wird es finster. Die gebürtige Klagenfurterin pflegt nämlich einen äußerst schwarzen Humor. Das zeigte sie eindrucksvoll bei ihrem literarischen Debütroman "Der Zwerg reinigt den Kittel". Darin entspinnt sie die Geschichte von vier Omis, die unter Vorspiegelung von Demenz in einem Pflegeheim auf Krankenkassakosten leben. Eine doppelbödige Satire, voll mit abgedrehten Ideen, die auf gesellschaftliche Grundprobleme anspielen. An Anspielungen und Problembeschreibungen ist auch Augustins aktueller Roman nicht gerade arm. "Alles Amok" (Ullstein) heißt dieser und führt zunächst einmal ins prekäre "Scheißleben" von Jakob. Der taumelt als Berufsdemonstrant (mit dem schönen Künstlernamen Andi Anti) durchs Leben und überweist den Großteil des sauer verdienten Geldes an ein Pflegeheim, in dem seine Mutter dahinvegetiert. Die hat ihm neben einer streng religiösen Erziehung auch noch anderes, für ihn Unverzeihliches angetan. Und gesundheitlich ist der junge Bursche auch schwer bedient. Das speist seinen Hass auf Mutter und die Welt und ergibt einigen Stoff zum Abarbeiten.
Jakob steht ein bunter Freundes-, eigentlich Bekanntenkreis zur Seite. Paul, der Parkbankphilosoph, Babsi, die Überbrückungs-Kellnerin, die in ihn verknallt ist, Herbert, "Ha & Em"-Verkäufer mit Hautproblemen, Sigi, der schwer tätowierte Kaufhausdetektiv und der nordkoreanische Würstchenverkäufer und Hobby-Poet Dingbang. Man sieht, hier bewegt man sich an den prekären Stellen des Lebens am Rande der Wohlstandsgesellschaft. Im zweiten Teil des Buches geht es dann richtig ans Eingemachte. Die illustre Schar von Randexistenzen wird vom charismatischen Zwerg Jürgen gecastet, um im "Paradies" zu arbeiten. Das ist ein bis ins kleinste Detail überwachter Freizeitthemenpark, der biblische und religiöse Mythen zum großen Spaß erklärt und trotz aller Überzeichnung ganz nah an den Disneylands dieser Welt dran ist.
Wuzzipuzzi heißt übrigens die Hauptfigur und Kinderliebling dort. Hier arbeiten die Freunde nun. Ein sicherer Job, allerdings wird man permanent überwacht und latenten (Eso-)Gehirnwäschen unterzogen. Die Gruppe arbeitet übrigens in einer Freak-Show, die im Vergleich zum Rest des Parks eine düstere Insel der Seligen unter dem Diktat von Zwerg Jürgen ist. Und hier ist die Keimzelle, in der sich ein hochexplosives Gemisch zusammen braut, das dann plötzlich in die Luft geht. Mit präzisen Bildern und aberwitzigen Kalauern schafft Anita Augustin eine gallige Gesellschaftssatire. Witzig und bissig übersteigert sie die absurden Auswüchse der Gegenwart ins Abstruse. Das zu erkennen ist schrecklich, vor allem aber auch schrecklich komisch.
Anita Augustins "Alles Amok" ist bereits bei Ullstein erschienen. Hier geht es weiter zur ihrer Kurzgeschichte "Fünfzehn Milligramm".