Unsere Produktkultur ist auf den Mainstream-User ausgerichtet. Ältere Leute bleiben da oft auf der Strecke, wie eine Ausstellung im Museum Wagner:Werk vor Augen führt.
Schon faszinierend: Da reden alle von der Überalterung unserer Gesellschaft, von den vielen Pensionisten, denen angeblich das Geld locker sitzt, weil sie finanziell aus dem Vollen schöpfen können, während die Jungen in prekären Verhältnissen leben. Doch wer unsere Produktkultur genauer unter die Lupe nimmt, muss feststellen, dass auf die Bedürfnisse von älteren Benutzerinnen und Benutzern nur in den allerwenigsten Fällen Rücksicht genommen wird, obwohl es sich um eine große und noch dazu kaufkräftige Zielgruppe handelt. Ob Handy oder Computer, Kartoffelschäler oder Leitsystem in Gebäuden – Gestaltung orientiert sich gewöhnlich am jungen bis mittelalten Mainstream-Benutzer, Personen mit Einschränkungen müssen sich mit dem Vorhandenen abfinden und arrangieren. Dabei sind wir alle früher oder später davon betroffen, schlechter zu sehen und zu hören, beim Aufstehen Schwierigkeiten zu haben oder Dinge zu vergessen.
Die Wiener Designerin Kathrina Dankl setzt sich mit dem Thema schon seit Jahren auseinander und kennt auch die Alternativen zur wortwörtlich exklusiven, weil ausschließenden Produktwelt. Im Rahmen einer kleinen Ausstellung im Wagner:Werk – in der Postsparkasse von Otto Wagner – hat sie Beispiele zusammengetragen, die von "Design Diversity" zeugen. Da findet sich eine App, die Sprache in Bilder verwandelt, um Demenzkranken die Kommunikation zu erleichtern. Oder diverse Haushaltshilfen wie ein Dosenöffner für Leute, die nicht mehr so viel Kraft haben bzw. Dinge schlechter greifen können.
Als Alleskönner entpuppt sich "sugru", eine schnellhärtende und extrem widerstandsfähige Silikonmasse, die von einer irischen Produktdesignerin entwickelt wurde. Mit ihr lassen sich – ähnlich wie man es mit Plastilin machen würde – Alltagsgegenstände reparieren oder verbessern: Man kann die Masse um einen Schlüsselgriff kleben, damit man ihn besser umdrehen kann, damit ein Kabel flicken, Schuhe wieder wasserdicht kriegen etc. Doch Produkte müssen nicht nur funktional sein, sondern können auch durch ihre Sinnlichkeit bestechen: Der "Doll Pill Container" ist so ein Ding, bei der die tägliche Tabletteneinnahme nicht jedes Mal den Charme einer Krankenhausbehandlung versprüht.
Schrankenlos, Barrierefrei
"Meine Untersuchungen zu dieser Ausstellung haben ergeben, dass es keinen Mangel an Designprototypen und interessanten Konzepten gibt, das Spektrum der in Produktion befindlichen Produkte ist jedoch immer noch beschränkt", so Kathrina Dankl. "Während viele ambitionierte Produkte im Prototypzustand verharren, werden solche, die das "beige" oder eher stereotypische Bild des Alterns vermitteln, in Serie gefertigt."
Mit ihrer Forderung nach zeitgemäßem "Inclusive Design" ist Dankl übrigens nicht allein. Der Grafiker Erwin Bauer hat kürzlich die Initiative Include gestartet, die als partizipative Netzwerkplattform die unterschiedlichsten Player zu einem kritischen Diskurs zusammenführen soll. Ob digitale Tools zur besseren Orientierung am Flughafen San Francisco oder eine Tagung zur Barrierefreiheit in österreichischen Tourismusdestination: Das Themenfeld ist weit. Wer sich einlesen will, kann dies mithilfe von Glossareinträgen (Schriftwahl; Wayshowing – Wayfinding; Infopoint; Braille etc.) tun. Seine eigenen Kenntnisse hat Bauer übrigens bei der Gestaltung des Leit- und Orientierungssystems am neuen Campus der Wirtschaftsuniversität Wien umgesetzt: ein Vorzeigeprojekt in Sachen "Inclusive Orientation Design".
Design Diversity: Ausstellung bis 8. November im Museum Wagner:Werk (Georg-Coch-Platz 2, 1018 Wien). Infos unter www.designdiversity.at. Zur Ausstellung ist ein Katalog im Verlag für Moderne Kunst erschienen.