Design-Innovationen entstehen oft im Nischenbereich. Das beweisen markttaugliche Fahrrad-Entwürfe aus Österreich wie das Woom-Kinderrad und das faltbare Vello.
Das Thema Mobiliät hat Designer schon immer zu Höchstleistungen angespornt. Und da Fahrräder bekanntlich boomen, lassen sich viele zu besonders ausgefallenen Entwürfen inspirieren. Nicht immer haben diese tatsächlich mit der Realität zu tun: So eindrucksvoll manches Rendering sein mag, so oft sind die Entwürfe konstruktiv unbrauchbar, selbst wenn sie mit Designpreisen ausgezeichnet werden. In den Internetforen zerreißen dann die Radspezialisten den jeweiligen "Designer-Entwurf" mit hingebungsvoller Liebe zur Detailkritik. Muss man denn tatsächlich ein Bike-Freak sein, um ein brauchbares Rad entwerfen zu können? Es scheint so.
Wir sind die Coolsten, wenn wir cruisen
Christian Bezdeka ist so ein Fahrrad-Nerd, "und das schon seit immer". Nach seinem Industriedesign-Studium hat er u. a. Mountainbike- und Rennradrahmen für den österreichischen Produzenten Simplon entworfen, Bikeshops eingerichtet und für die Gebrüder Stitch eine Radljeans designt. Als Laie könnte man ja meinen, das Rad müsse nach mehr als 100 Jahren technisch so weit ausgereift sein, dass man nur noch Verbesserungen in kleinen Details oder beim Oberflächendesign vornehmen könne. Dem widerspricht der Profi vehement: Materialtechnisch gebe es noch viel Innovationspotenzial – ob bei Aluminium, neuartigen Stahllegierungen oder Carbon. Neben technischen Neuerungen sei es allerdings unser geändertes Nutzungsverhalten, das den Fahrradmarkt in Dynamik versetzt habe, so Bezdeka. "Zum Beispiel die Falträder, die man leicht in die U-Bahn mitnehmen oder im Kofferraum verstauen kann. Oder die neuen Lastenräder, die aus den Bäcker- und Postlerrädern entstanden und heute Lifestyle-Objekte sind, mit denen man mit Kindern durch die Stadt cruisen kann."
Apropos Kinder: Vom Designer zum Produzenten wurde Bezdeka weder mit Falt-noch mit Lastenbikes, sondern mit Kinderfahrrädern. Warum ausgerechnet diese Nische? Als Jung-Vater habe er sich vor einigen Jahren auf die Suche nach etwas Passendem für den Nachwuchs begeben – "und nicht einmal im Entferntesten etwas gefunden, was meinen Ansprüchen genügt hätte". Alle am Markt erhältlichen Modelle seien zum Beispiel zu schwer gewesen: "Da gibt es Räder, die wiegen mehr als mein eigenes Rad! Im Verhältnis zum Körpergewicht ist das so, als würde man mit einem Moped radeln."
Außerdem seien Kinderräder oft nichts anderes als kleine Erwachsenenräder, obwohl die jungen Benutzer ganz andere Bedürfnisse hätten. "Kinder benötigen zum Beispiel eine aufrechte Sitzposition, um besser Gleichgewicht halten zu können. Oder sie fühlen sich sicherer, wenn der Abstand vom Pedal zum Boden nicht zu groß ist." Am Ende seiner Suche sei ihm klar geworden, dass sich "noch niemand intensiv damit auseinandergesetzt hat, wie Kinder Radfahren lernen."
Vor zwei Jahren hat Bezdeka mit einem Geschäftspartner seine Woom-Bikes selbst auf den Markt gebracht – nach jahrelanger Entwicklungsarbeit (und Förderungen durch das Programm Impulse). Ein Risiko, für das er sich entscheiden musste, denn es fand sich kein Produzent, der da mitgemacht hätte. Zu klein das Segment, zu gering die Verdienstchancen. Dass man dennoch damit Erfolg haben kann, bewiesen die ersten beiden Tranchen der Woom-Bikes, die innerhalb kürzester Zeit ausverkauft waren. Ein Erfolg, der den Jungunternehmer auch in eine etwas heikle Situation bringt: "Wir haben derzeit ein Funding-Problem. Woher kriegen wir das Geld, um mehr Räder produzieren zu können, damit wir nicht gleich wieder ausverkauft sind? Denn wer ein Kinderrad kauft, braucht es jetzt. Der kann nicht aufs nächste Jahr warten, sondern kauft ein Konkurrenzprodukt." Neben der finanziellen Komponente sei die größte Hürde der Umstieg von der Manufakturproduktion zur industriellen Fertigung gewesen: "Für diesen Schritt mussten wir jeden Prozess neu definieren und aufsetzen."
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