Im Internet stößt man immer wieder auf Genres, die so klingen als wären sie auf schlechten Drogen ausgedacht worden. Also haben wir uns einen Test überlegt.
Nipster Rap
Anfang des Jahres war die Aufregung groß. Nazis + Hipster = Nipster. Ein paar der braunen Verlierer hatten erkannt, dass Bomberjacken und Springerstiefel doch irgendwann fad werden und auf Skinny Jeans und Jutebeutel mit stolzen Sprüchen umgesattelt. Und kurz darauf hatten sie auch noch ihr verödetes Sprachzentrum wieder entdeckt. Die Jugend, die rappt doch deutsch, fangen wir halt ein paar damit ein, dachten sie. Noch dazu hatte Fler ja schon wichtige Grundlagen gelegt ("Stabiler Deutscher", "Neue Deutsche Welle", uvm.). Es folgten verwirrte Laute mit Beats mit Titeln wie "Unsere Ehre heißt Troye", "∞88∞" oder "Einmal um die Welt (im Panzer)".
Gun Trap
Das in Trap ab und zu mal Waffensounds, sei es Laden oder Abschießen, zu hören sind, ist ja nichts Neues. Einige Trap-Fanatiker waren davon aber so begeistert, dass sie ihre Samplelibraries um die verschiedensten Waffentypen – je ausgefallener desto besser – erweiterten. Gun Trap klingt zwar für den Laien kaum anders als normaler Trap, der Kenner kann aber die verwendeten Samples gewissen Waffenmodellen zuordnen. Wer die geilsten Waffen hat, hat den größten Hit – zumindest nach der Logik von den DJs Kalaschnikow oder Ber Etta.
Black Midi
Was passiert, wenn du ein Computerpiano mit ein paar Millionen Noten fütterst? Genau diese Frage hatten sich Youtuber mit lustigen Namen wie John L. Sinneslöschen, kakakakaito1998 oder vloggercousins gestellt. Von einem noch relativ harmlosen Video aus, entwickelte die Idee einige Noten zu viel zu setzen, einen echten Schneeballeffekt. Wenn man Google glauben darf, ist der Kern der Szene in Großbritannien daheim. Und so wie mit der Zahl der Noten, wird auch das Interesse an Black Midi aktuell immer noch größer.
Grindie
Stell dir vor dein einer Mitbewohner hört Grime und dein anderer Indie auf voller Lautstärke und du sitzt in der Küche und in deinem Ohr mischt sich, was nicht zusammengehört. Genauso klingt Grindie. Muss es ja auch, geht es dabei doch um eine sehr unglückliche Ehe zwischen diesen beiden Genres. Grindiester, die Anhänger dieses Teufelszeugs, sind an ihren Converse und Hoodies zu erkennen – also gar nicht. Sie können demnach überall lauern und gerade den heißen Scheiß von Statik oder Hadouken! hören...
Hostep
Wenn Skrillex Musik machen kann, dann kann ich das auch, dachten sich ein paar weibliche DJs in L.A., die in weitere Folge das Genre Hostep begründen sollten. Zuerst als Scherz gedacht und auch, weil der androgyne Turntable-Weirdo so leicht zu imitieren war, legten sie den Skrillex-Sound auf Parties auf. Wenig später wurde auch produziert, mit einem natürlich noch viel übetriebenen und härteren Sound. Mittlerweile produzieren auch Männer Hostep. Ungeklärt ist, ob sie es ernst meinen.
Life
In den Sechzigern waren die Hippies irgendwie seltsam drauf, oder ziemlich gut, je nachdem wie man zu Glücks- und Friedensdrogen steht. Ein Haufen dieser Hippies glaubte jedenfalls daran, dass eigentlich alles in Wirklichkeit nur einge große Lebenskunst ist und die Grenze zwischen echtem Leben, Rausch, Musik und Kunst abgeschafft gehört. Life nannte sich das. Dabei werden keine klassischen Instrumente verwendet, oder irgendwie wird alles zum Instrument, man findet Sounds, Melodien und Rhythmen einfach so wie sie einem Mutter Natur in den Schoß legt. Auf Dauer konnte man damit aber nur einen Blumenstrauß gewinnen. Life war Ende der Sechziger auch schon wieder dead.
Porno Pop
Nein, Porno Pop ist keine Geheimbezeichnung für Nicki Minaj, Robin Thicke und auch nicht Miley Cyrus. Porno Pop kann man ein Genre ja eigentlich nur nennen, wenn es gerade kein Porno ist, sondern Kunst. Man nimmt also einen recht populären Stil, sagen wir RnB, unterläuft jede überspitzte Geilheit mit erschöpften Lyrics à la The XX und garniert das Ganze noch mit reichlich Vanitas-Symbolen. So ist man in der Gesellschaft gleichzeitig irgendwie drin und doch weit draußen. Als gäbe es ein viel zu falsches Leben im falschen, das doch wieder richtig ist. In den Galerien dieser Welt sorgt Porno Pop jedenfalls für reichlich Lacher.
Lowercase
Lowercase ist eine extreme Form von Ambient, in der alle Konzentration auf sehr, sehr leisen, wirklich ganz leisen, kaum für Menschen hörbaren Tönen liegt. Die Musik, die die Raumsonde Rosetta vom Kometen Tschurjumow-Gerassimenko kürzlich aufgefangen hat, wären eigentlich ein gutes Beispiel für Lowercase. Nun werden solche Geräusche, auf die man sonst nicht achtet, extrem verstärkt und wie unter einem Elektronenmikroskop maximal vergrößert. Es ist also eine Form von Entdeckermusik. Wahrscheinlich haben ihre Erfinder beim Komponieren seltsame Helme von Konquistadoren auf.
Bronycore
Ein Brony ist eine Mischung aus Bro und Pony. Also ein Bro, der gleichzeitig ein Fan von My Little Pony ist. Das Internet hasst sie irgendwie. Weil sich aber so viele Bronies im Internet treffen, gibt es dort auch eine lebendige Brony-Subkultur. Natürlich klingt Bronycore synthetisch, extrem poppig, oft kitschig. Vocoder, simple Beats, 8Bit-Sounds, auch mal Brostep-Elemente (sic!) geben den richtigen Kick, um richtig krass mit den kleinen, hübschen Ponies zu spielen und sich durch Fan Art zu klicken.
Burger Highlife
In den 70er und 80er zog es einige Ghanaer nach Deutschland. Mit im Gepäck: die Musik aus der Heimat, genannt Highlife. Als man sich dann mit deutschen Musikern und Produzenten zusammentat, entstand Burger Highlife. Auch wenn das Genre als deutsches bezeichnet wird, fehlt es bei Burger Highlife doch an zünftigem Umptata. Es ist eher sehr Synth-lastiger, fröhlicher Afro-Pop, der von Blasmusik sehr viel weiter entfernt ist als von Modern Talking. Die 80er waren eben ziemlich global grauslich.
Quiet Storm
Der Sturm der Liebe kommt leise aber heftig, schrieb schon Gustave Flaubert. 100 Jahre später, Mitte der 1970er, bündelt dann ein US-Radiosender all die sanften, samtigen Soul- und RnB-Songs und sendet einmal täglich als "Quiet Storm" eine nächtliche Sendung für alle die Lovers und Lover's Lovers da draussen. Wer es ein kleines Stück weit subtiler mag als Kuschelrock, Leopardenfelle, Daunenfedern und den Ruf der Nachtigall, der ist bei diesem Genre richtig aufgehoben.
Flutedrop
Stell dir vor, dieser Track fährt am Anfang wirklich gut rein, dann das Break, baut richtig schön auf, du kannst es kaum noch erwarten, da spürst du es, da kommt dann bald der Drop, da jetzt, alles weg und … döööd dööd död, Flöte, eine Blockföte, genau über dem Drop, komisch, daneben und lustig falsch. Dass man diesen Schmäh immer weiter ausdehnen und immer wieder bringen kann, beweist das Genre Flutedrop.
Auflösung
Nipster Rap: Auch wenn es Nipster Rap in spätestens zwei Jahren geben wird, aktuell haben wir uns die Kraft-durch-Sprache-Vergeltungswaffe der braunen ZΩmbies zum Glück nur ausgedacht. Im Bild übrigens Patrick Schröder, ein Original Nipster. Gun Trap: Gun Trap ist leider zu gut, als dass es ihn wirklich gäbe. Was täten wir nicht für ein Live-Set von Ber Etta... Im Bild übrigens Kyiv und ihr Future Screw. Black Midi: Black Midi ist unglaublich grossartig. Wir sind leider echt nicht kreativ genug, um uns so etwas auszudenken. Grindie: Ja, Grindie, Hadouken! und grausame Franz Ferdinand-Refixes gibt es wirklich. Mantel des Schweigens, jetzt! Hostep: In der Liebe und bei Brostep mag zwar alles fair sein, Hostep in dieser beschrieben Form existiert aber nicht, auch wenn man auf Youtube unter dem Begriff ein paar ganz komische Sachen findet. Ein paar weibliche EDM-Artists wie Nervo gibt es natürlich. Life: Die Hippies hatten ja viel Shit geraucht, aber auf diese Idee sind nicht einmal sie gekommen. Life ist nicht aus dem Leben gegriffen. Porno Pop: Natürlich haben sich Porno Pop zwei Menschen ausgedacht, die wirklich sehr sehr viel Zeit im Internet verbringen, so viel, dass sie über ihre Ermüdung Songs schreiben müssen, die man auch existenzialistischen R’n’B oder #Alt Etwas nennen könnte. Aber für das Duo 18+ klang Porno Pop doch einzigartiger. Lowercase: Die Wikipedia-Biografie von Lowercase-Musiker Steve Roden besteht aus cirka 300 Museen, in denen er schon ausgestellt und performt hat. So ein Scheiss kann Lowercase dann vermutlich nicht sein. Bronycore: Es gibt zwar reichlich Musik, die rund um My Little Pony produziert wird, aber ein eigenständiges Bronycore-Genre gibt es nicht. Dachten wir. Bis wir das entdeckt haben. Burger Highlife: Burger Highlife gibt es nicht nur bei McDonald’s, sondern auch in der Musik. Warum es nun aber wirklich so heißt, wissen wir auch nicht. Quiet Storm: Flaubert hat es nicht erfunden, Smokey Robinson dafür aber. Der schreibt den gleichnamigen Song "Quiet Storm", der zur Kennmelodie der gleichnamigen Sendung und des ganzen Genres wird. Flutedrop: DJ Detweiler wars. Aber eigentlich auch nur er. Flutedrop heißt seine Wiese, die er allein aber ganz an der Spitze beflötet.
Witchhouse, Sea Punk, Hipster Rap, Brostep, New Rave, Future Bass, Avanti Pop usw. Die Liste katastrophaler Genrebezeichnungen ist lang und furchterregend. Oft wurden solche Namen als Scherz erfunden oder waren eigentlich negativ gemeint und irgendwann blieben sie dann hängen. Weil nun im Lauf eines Jahres immer wieder seltsame neue Genres auftauchen, haben wir einige davon gesammelt und sie mit frei erfundenen Genres kombiniert.
Am Ende der Fotostrecke wird alles aufgelöst. Wer mehr als die Hälfte richtig hat, bekommt den kleinen Nerd-Verdienstorden. Bei mehr als zehn geben wir bei unsrer nächsten The Gap Releaseparty einen aus.
So viel seit verraten, eines der Genres hatten wir uns ausgedacht, am Ende gab es das dann aber wirklich…