Um das 14. Solo-Werk des ewigen Dandys sammeln sich Missverständnisse, ratlose Fehlinterpretationen zu Hauf. Was auch der Logik folgt, dass über den schmachtenden Barden mit dem hehren Kunstanspruch schon alles gesagt wurde. Fast.
Nach Soundscapes und jazzigen Ausflügen ist „Avonmore“ ein klassisches Ferry-Werk im Sinne der mittleren Achtziger mit 48 Spuren Galore. Weniger ein Nachklang der späten Roxy Music Tage. Einer Combo, welche in nur einem Jahrzehnt die Transformation vom Glam Rock über die eigene Adaption des Punk und Disco zu höchst edlem Pop durchschritten hat. Es ist seine Reflexion über Scheiben wie „Bête Noire“ oder das unterschätzte „Taxi“, welche seinem glanzvollen Comeback mit „Boys and Girls“ folgten – dem damals teuersten Album aller Zeiten.
Die Summe kam über die opulent zwei-jährige Produktion in sieben Studios mit handverlesenen dreißig Musikern der Kreuzfahrt Starklasse zustande. Heute schafft das der bald 70 Sommer junge Scheitel in seinem Studio – Avonmore eben benannt – in London, im Keller seines nicht zu Understatement neigenden Wohnhauses. Aber er hat sich noch ein vielleicht letztes Mal die Creme seiner liebsten Handwerker zu den Sessions geholt. Langjährige Freunde und Granden wie Maceo Parker, Mark Knopfler, Marcus Miller, der wieder omnipräsente Nile Rodgers, Smiths-Legende Johnny Marr, RHCP-Nagler Flea oder die Ronettes-Stimme Ronnie Spector machen, was ins Bild passt und der Meister anpeilt, keine Trademark-Lieferung. Eine Aufarbeitung einer Phase gegönnt, über die Ferry nicht immer lachend sinnierte und von Sackgassen der Kreativität sprach.
Damit war vor allem gemeint, dass manche Lieder durch den dichten Soundteppich nicht mehr genug Luft für deren fragile Anlage bekamen, und es auch in die Preziosen-Ahnengalerie des Pop zu schaffen. Der Mix wurde dementsprechend anders angelegt, das zunehmend zerbrechliche und doch noch immer erstaunlich sehnsuchtsvolle Vibrato der Stimme liegt klar vorne. Ausgefeilt perkussive Arbeit von allen Zuarbeitern und ewig viele Pattenspuren geben selbst Midtempo-Nummern den gewissen Drive, Gitarren setzen mehr Akzente denn den Lead.
Gstanzln und Grabeshymnen
Acht neue Stücke, die stilistisch auch vor ein paar Jahrzehnten als Hoffnungsträger in seinem Safe weggesichert worden sein könnten, sind es geworden. Dazu gesellen sich die trickreiche Umformung des Lebensabend-Klassikers „Send in the Clowns“ und die schon bekannte Zusammenarbeit mit dem wunderbaren norwegischen Gesellen Todd Terje. Eine Minimal Umsetzung des Robert Palmer Gassenhauers „Johnny und Mary“, knapp am Fremdkörper im Gesamtbild. Dafür dem experimentellen Geist des britischen Kunstlehrers zulächelnd. Solch Gstanzln wie der „Midnight Train“ oder der Grabeshymne in spe „Soldier of Fortune“ lassen das Herz des geneigten Fans lachen. Was Ferry in den letzten Jahren aufgrund Trennungen und einer weiteren gescheiterten Ehe nicht immer leicht fiel.
Dem Fan kann es recht sein. Der Multirecord-Deal mit dem Label sichert weiteren Output wie künstlerische Freiheit, das beständige Flackern im Hoserl des Maßanzuges Aktivität auf den Bühnen. Dort, wo Ferry am besten ist, wenn er weitreichende Querverweise quer durch die Genres und Generationen zu einem prickelnden Cocktail seiner Einzigartigkeit verschmelzen lässt. Send in the Avonmores.
„Avonmore“ ist bei BMG erschienen und kassiert hier 8 von 10 Punkten ein.