Ich wurde gebeten, mein Tagebuch zu öffnen.
Das verstehe ich, verfüge ich doch tatsächlich über ein ebenso spannendes wie ereignisreiches Leben, das lediglich durch die Prächtigkeit meiner Gedanken unterbrochen wird. Dennoch war die Anfrage diesbezüglich ein wenig merkwürdig. Eine mir völlig unbekannte Nachmieterin in einer Wohnung, aus der ich vor weit über sechs Jahren ausgezogen bin, war so frei mich dies zu fragen. Sie habe meinen Namen von ihrem jetzigen, also meinen ehemaligen Vermieter bekommen. Man wisse vom Nachbarn, dass es mit mir als Mieter einmal ein Abflussproblem gab.
Allerdings kann sich niemand mehr genau erinnern was der Grund war, weil die Firma, die das behob, mittlerweile nicht mehr existiert. Ich schrieb zurück: "Gerne, aber woher meinen Sie zu wissen, ich führe Tagebuch?" Prompt erhielt ich auch Antwort: "Google und Facebook." Jetzt wäre eigentlich Zeit für einen kleinen Paranoia-Schub, aber ich schrieb bloß: "Helfe gerne und schaue mal nach. Ich hoffe aber für Sie, dass Ihnen bewusst ist, dass nicht alles, was man im Internet über eine Person findet, immer auch der Wahrheit entspricht. Insbesondere Tagebucheinträge." Folgendes habe ich dann gefunden und ihr geschickt:
12. 4.: Probleme bei der Arbeit. Der Oberbilleteur ist völlig spaßbefreit. Ein König der Nullen. Er regte sich bei der Personalchefin auf, dass ich ungenau wäre und ihn mobbe, wo es nur geht. Nur weil ich unkonventionell und kreativ Stecknadeln beim Befestigen der Filmplakate nicht nur an den Ecken, sondern auch in die Augen der Schauspieler reingedrückt habe, zuckt der trostlose Bauernlümmel völlig aus. Mir war zwar bewusst, dass die Plakate wohl kaputt gehen und ordentlich einreißen, wenn man sie rasant abnimmt, Absicht sollte man mir aber besser nicht unterstellen. Er soll besser aufpassen, wenn er Plakate wechselt. Die Chefin lachte ihn jedenfalls aus und klopfte mir ein bisschen auf die Finger. Nulli ist jetzt noch wütender. Ich bin auch wütend: Wenn ich Wäsche wasche, drückt die Waschmaschine beim Schleudern Abwasser in die Duschtasse. Es ist alles verdreckt und stinkt.
14. 4.: Jetzt drückt es auch schon Wasser in die Duschtasse, wenn ich Geschirr in der Küche abwasche und das Wasser runterlasse. Und noch viel unangenehmer: Der ganze Gack rinnt nur zäh über Stunden ab. Werde wohl einen Installateur brauchen. Oder einfach nicht mehr abwaschen.