Zynismus ist Muss. Zugezogen Maskulin machen Ernst, ohne sich selbst ernst zu nehmen. Eine Kampfansage an den Berliner Status Quo.
Einer aus dem Westen, einer aus dem Osten. Beide ehemalige Journalisten bei rap.de. Sie kennen das Game in- und auswendig, und vielleicht ist es ihnen gerade deswegen so demonstrativ egal. Als Zugezogen Maskulin halten sie nicht nur deutschem HipHop, sondern gleich dem westlichen Menschen den Spiegel vor. Und haben dabei scheinbar einen Mordsspaß. In ihren Texten tauchen neben komplett überzogenen Rap-Klischees immer wieder Bites auf, mal direkt zitiert, mal abgeändert, aber stets ins Lächerliche gezogen.
Dazwischen geben die beiden ihr Weltbild zum Besten: Der moderne Homo sapiens ist ein heuchlerischer Junkie, der sich Markenlogos auf die Wohlstandswampe tätowieren lässt. Die Waffe der Jungs ist Zynismus. Sie wirken ein wenig wie die Tagespresse in HipHop. Sie haben was zu sagen, wollen aber nicht zu ernst genommen werden und fanden dafür einen Kompromiss. Alles verpackt in passablem Rap.
»Des is jo Wohnsinn, is des jetz EDM oder Rap?«
»Alles brennt!« wird soundtechnisch dem Ausrufezeichen im Albumtitel gerecht. Es kracht gehörig. EDM, D’n’B und Trap – zunächst Kopfnicken, dann Headbangen. Zum Abtanzen super, aber zum drauf rappen? Klappt. Überraschung. Die rausgebrüllten Lyrics harmonieren gut mit dem neo-psychedelischen Sound. Mal geht’s um einen Ayahuasca-Rausch, der Beat erinnert an den tausendsten Pink Elephants-Remix.
»Oi!« ist eine Kampfansage gegen Pseudo-Hippies, unterlegt mit Hochgeschwindigkeits-Drums. Und bei »Monte Cruz« wird spanische Einwanderung in Deutschland ein Thema, da passt doch ein Mariachi-Techno-Remix ganz gut. Die Musik redet jetzt mit. In die klassische Falle, den Text zu vernachlässigen, tappen Zugezogen Maskulin dabei nur teilweise.
Hüft- und Denkanstoß
ZM nehmen ihr Umfeld ins Visier. Drogen, Migration, Kapitalismus, all diese Mühsale des 21. Jahrhunderts. Alles trieft vor Sarkasmus, vorgetragen wie von einem zornigen, koksenden Clown. Die Jungs wirken dabei nicht belehrend. Eher wie tanzende Rädelsführer bei einer Demonstration, zu der man nur zum Spaß hingegangen ist. Und auf einmal kriegt man dann doch Bock auf Revolte. »Alles brennt!« ist eine Momentaufnahme von Berlin aus dem zornigen Blickwinkel von Grim104 und Testo. Die Sprachkunst selbst ist Durchschnitt. Endreime, hier und da ein netter Wortschmäh, Flow eher low. Die Form tritt in den Hintergrund. Der Inhalt springt dir umso mehr ins Gesicht, mit fetzigem Trap als Trampolin. Da kriegt man schon Lust, irgendwas konstruktiv kaputtzuhauen. Nicht gleich das System, aber vielleicht einen Herrenausstatter.
2014 war dank Kolle, Hafti und Nazar ein gutes Jahr für Straßen-Rap. Zeit für Abwechslung. Neue Themen braucht das Game, und ZM legen mit diesem stark verspäteten Neujahrs-Böller kräftig vor. MCs, aufgemerkt.
»Alles brennt!« erscheint am 13. Februar bei Buback (Indigo).