Wenn Köpfe wie Stephen Hawking und Elon Musk vor künstlicher Intelligenz warnen oder Google eine Roboterfirma kauft und künstliche Intelligenz immer weiter entwickelt, kann man sich fürchten, muss aber nicht.
Wer will, kann sich einen Roboter leisten. Zum Beispiel den Dirt Devil M607 Saugroboter Spider um rund 100 Euro, der uns "… davon befreit, Zeit mit dem Putzen zu verschwenden. Auf seinem Weg zu absoluter Sauberkeit entdeckt und umfährt der Spider Hindernisse. Er erkennt dank seiner Sensoren sogar Treppen, ohne abzustürzen." So die euphorische Produktbeschreibung. In der Praxis sieht die Sache meist anders aus. Erst kürzlich kam ein weiterer Testbericht zum ernüchternden Ergebnis: Nur wenige Modelle funktionieren tatsächlich passabel, und selbst die Testsieger können aufgrund ihrer mangelnden Saugkraft einen herkömmlichen Bodenstaubsauger nicht ersetzen. Nichts anderes als ein Technik-Spielzeug also?
Szenenwechsel: Auf einem Youtube-Video erklimmt ein 110 Kilogramm schwerer Laufroboter, der aussieht wie ein grimmiger Packesel, entschlossen einen Waldhügel, dazu läuft Musik wie in einem David Lynch-Film. Bedrohlich soll er wirken, kein Zweifel: BigDog wurde von der amerikanischen Firma Boston Dynamics, einem der Vorreiter in Sachen Roboterproduktion, entwickelt, und zwar im Auftrag der Defense Advanced Research Projects Agency, die zum US-Verteidigungsministerium gehört.
Gedacht ist er als Unterstützung für Bodentruppen in einem Umfeld, in dem sich herkömmliche Militärfahrzeuge nicht bewegen können. 180 Kilo kann er tragen, 24 Stunden lang. Und notfalls ist er sogar imstande, selbst Ziegelsteine zu werfen. Doch wie erkennt er den richtigen Weg durchs Gelände? Welche Kriterien bestimmen sein "Handeln"? Und was hat ein solcher "lebensechter" Roboter mit seinem 100-Euro-Staubsauger-Bruder zu tun, der verwirrt umhersaust, sobald er irrtümlich in ein falsches Zimmer gerät?
Solche laienhaften Fragen kann man Markus Vincze stellen. Der Professor am Institut für Automatisierungs- und Regelungstechnik der Technischen Universität Wien sieht es auch als seine Aufgabe, darüber aufzuklären, was Roboter können – und was nicht. Denn je mehr man über Roboter wisse, desto weniger müsse man sich vor ihnen fürchten. "Ich hatte kürzlich ein Gespräch mit einem Genetiker", so Vincze. "Davor fand ich es unheimlich, was die alles können. Er hatte die gleiche Sicht von der Robotik."
Sehen, denken, fühlen
Was man für einen Roboter braucht, ist denkbar einfach zusammenzufassen: "Zunächst mal die Mechanik, die sieht man ja auch meistens. Dann Sensoren zum Hören, Sehen oder Tasten. Und dann muss der Roboter nicht nur seine Umgebung erfassen, sondern auch interpretieren können", so der Experte, der sich wissenschaftlich vor allem mit dem Sehen von Robotern auseinandersetzt. Anhand seines Forschungsschwerpunkts erklärt Vincze die Schwierigkeiten seines Faches.
"Menschliches Sehen braucht die Hälfte der Großhirnrinde, ist also unheimlich komplex. Wir sind derzeit noch immer weit davon entfernt, hier bei Robotern eine Performance, die jener von Menschen ähnelt, zu erreichen. Mittlerweile gibt es zwar Sensoren, die auch räumliche Tiefeninformation liefern, zusätzlich zu den Farbinformationen, die mir auch helfen, Elemente zu trennen." Doch selbst für die scheinbar einfachsten Situationen benötige man eine Vielzahl an Informationen.
Vincze erklärt das anhand von zwei Kaffeetassen, die auf seinem Tisch stehen. Ein Roboter könne die beiden unterscheiden, wenn sie voneinander getrennt stehen. Stehen sie nahe beieinander, wird die Sache schwieriger. Mit einem Glas davor oder weißem Hintergrund verkompliziert das die Sache immer weiter. Hat er zu wenige Informationen, scheitert der Roboter. Liefert man zu viele, dauert die Verarbeitung zu lange. Noch.
Bessere Sensoren, Prozessoren, Algorithmen
Trotz aller Schwierigkeiten hat der aktuelle Hype um Roboter seine handfesten Gründe: Die technologischen Fortschritte der vergangenen Jahre sind beachtlich. Einen entscheidenden Beitrag lieferte u. a. die Sensoren-Hardware Kinect, die für Microsofts XBox entwickelt wurde, um mit vollem Körpereinsatz spielen zu können. Auch schnelle, billige Chips haben der Branche einen Boost verpasst. Rechner werden zwar voraussichtlich noch länger keine echte, harte künstliche Intelligenz entwickeln, aber mit besseren Algorithmen und enorm großen Datenmengen kann Intelligenz zumindest schon simuliert werden.
Deshalb funktionieren manche Übersetzungen, obwohl Maschinen Sprachen nicht einfach verstehen können. Dass Firmen wie Amazon oder Google in jüngster Zeit einige Roboterfirmen aufgekauft haben, befeuert die Debatte. Und Zukunftsvisionen wie "Terminator", "Avengers 2" oder "Stargate", in denen denkende Maschinen die Menschheit bedrohen oder zerstören, sind zumindest nicht utopisch genug, dass nicht mehrere hundert anerkannte Professoren und Forscher, darunter Stephen Hawking und Elon Musk, in einem offenen Brief vor potenziellen Fallen der künstlichen Intelligenz warnen. Die Forschung daran würde ständig voranschreiten, der gesellschaftlich Nutzen müsse dabei möglichst groß werden. Sogar das Ende von Hunger und Armut sei vorstellbar.
In der Logistik und beim Verpacken sind Roboter bereits jetzt gut einsetzbar, auch wenn etwa Amazons Ankündigung, in Zukunft mit Drohnen ausliefern zu wollen, eher als guter PR-Gag denn als bald realisierbarer Plan gilt. Selbstfahrende Autos werden gerade von mehreren Seiten getestet. Scheitert ein Roboter allerdings, weil er z.B. ein Glas nicht greifen kann, sondern vom Tisch stößt, dann kann er aus dieser Situation kaum lernen, denn – so Markus Vincze – "um Rückschlüsse ziehen zu können, bedarf es des Wissens, was genau passiert ist. Alle Aspekte zusammenzubekommen, gelingt nur sehr eingeschränkt." Eben deshalb kann man sich zwar einen Staubsaugerroboter kaufen, aber eben noch lange keinen, der die Küche zusammenräumt.
Doch warum wirken dann die menschen- oder tierähnlichen Roboter, die etwa im Auftrag von Militärs entwickelt werden, so flexibel und intelligent, wenn sie Leitern erklimmen oder Wände durchbrechen? Weil diese Roboter nur eingeschränkt selbständig agieren. Dahinter stecken immer Menschen, die steuernd eingreifen. Zu den bekanntesten dieser halbautonomen Roboter zählen die Drohnen, deren Einsatz bereits zu heftigen Diskussionen geführt hat, ob es ethisch vertretbar sei, mit Maschinen gegen Menschen zu kämpfen. Das Thema autonomer, tödlicher Robotik beschäftigt die Vereinten Nationen schon seit einigen Jahren.