Das Rustikale boomt, auch im Design. Das klingt nach Herzerln in der Sessel-Rückenlehne und derber Hüttenromantik. Es geht aber auch viel besser.
Wie wohnt Andreas Gabalier? Wir wollen´s gar nicht wissen. Tatsache ist, dass das Ländliche, Rustikale, Bodenständige nicht nur die Unterhaltungskultur ("Wiesn" im Prater) und die Medien (Landliebe-Magazin) erfasst hat, sondern auch das Design. Plötzlich begegnet man in Stylegazetten oder Restaurants alpinen Bauernmöbeln. Das markiert Bodenständigkeit als Gegenkonzept zur globalen Beliebigkeit, es verweist auf die vermeintlich eigenen Wurzeln, selbst wenn man seit Generationen in der Stadt lebt. Die Alpen sind überall, selbst neben der sechsspurigen Autobahn am Karlsplatz, in Form des Lokals "Bergstation Tirol" im Künstlerhaus, wo man unter Lampen aus gefärbten Hirschgeweihen auf Bauernsesseln sitzt und Heimatseligkeit zelebriert.
In der distinguierten Designwelt sind derartige Derbvarianten freilich verpönt, und selbst wer sich ernsthaft mit dem Mobiliar der bäuerlichen Welt auseinandersetzt, stößt nicht immer auf Verständnis. Davon weiß Robert Rüf zu berichten. Der gebürtige Bregenzerwälder ist fixer Bestandteil der Wiener Designszene und verbindet seine Liebe zum Material Holz mit seinem Talent für subtile Entwürfe. Einige seiner Möbel – so etwa der Stuhl "Feen" – verweisen eindeutig auf Vorgänger in der Bauernstube, wirken jedoch keinesfalls rustikal. "Es ging mir bei meiner Beschäftigung mit dem Thema nicht um die Typologien von ländlichem Mobiliar, sondern darum, wie am Land konstruiert wird. Wie baut man einen Zaun, wie macht man einen Unterstand? Dafür habe ich ein Faible entwickelt. Mich hat interessiert, mit welchen Details – etwa bei Zapfenverbindungen – gearbeitet wird, und ich hab mich gefragt: Hat das in einem zeitgenössischen Kontext eine Berechtigung? Ich wollte einfach sehen, ob das etwas hergibt."
Bauernkasten, kantige Tische, altes Stadlholz
Es gibt etwas her: Der Stuhl "Feen" wurde vielfach publiziert und in Museumssammlungen aufgenommen, sein "Tafel"-Tisch erhielt im Rahmen von "Handwerk und Form" 2006 eine Würdigung (in der Jury waren damals u.a. Stararchitekt Peter Zumthor und Hermann Czech). Für das Projekt "Feldküche", das seit einigen Jahren Regionalität auf lässige Art neuinterpretiert, entwarf Rüf kantige Tische und Sitzbänke, die aus 300 Jahre altem Stadlholz gefertigt wurden, für das Panorama-Restaurant der Seilbahnen Bezau designte er den robusten Bauernstuhl "Re".
Auf Widerstände stieß er immer wieder: Für seinen "Feen"-Stuhl suchte er vergeblich einen internationalen Produzenten (der Stuhl sei in seiner Formensprache zu lokal verankert, hieß es), ein anderer potenzieller Auftraggeber aus Vorarlberg wiederum forderte ihn auf, in die Rückenlehne doch Herzerln zu machen, "ohne die geht das nicht". Natürlich kam Rüf diesem Wunsch nicht nach, schließlich kann er sich über die "alpine Welle" einigermaßen entrüsten: "Da wird oft etwas eins zu eins zitiert, ohne darüber nachzudenken, was man darüber hinaus machen könnte." Dass bäuerliche Möbel auch in einen städtischen Kontext passen können, will er im Herbst neuerlich unter Beweis stellen, wenn im Rahmen eines Vienna Design Week-Projekts ein Bauernkasten und eine Truhe vorgestellt werden, die gerade im Auftrag von Interio entstehen.
Quelle im Ursprung an den Wurzeln
Es gibt etliche Beispiel aus Österreich, in denen das Thema Bauernmöbel variiert wird: Im vergangenen Jahr hat der Produzent Hussl die Möbelserie "Hussl alpin" vorgestellt, bestehend aus Tisch, Hocker und Sessel. Das Design stammt von EOOS. Der Hocker hat Ähnlichkeiten mit alten Melkschemeln. Stuben21 bezieht sich bereits im Firmennamen auf die alpine Tradition: Das Projekt wurde von Nicole Horn und Peter Daniel ins Leben gerufen, zwei Quereinsteigern, die mit ihrer Kollektion "in Zeiten der übertriebenen Schnelllebigkeit zurück zum Ursprung" führen wollen. Die Möbel würden ins City-Appartement genauso passen wie ins Chalet, so die beiden. Schmidinger Möbelbau aus Vorarlberg, bekannt geworden durch sehr schlichte, elegante Holzmöbel, die an skandinavische Traditionen erinnern, setzt neuerdings mit dem Stuhl "trix" auf die Neuinterpretation des klassischen Brettstuhls.