„Harvest Moon: Das verlorene Tal“ kann nichts über Spielspaß erzählen, aber so einiges über die Arbeitswelt.
Die Spiele der „Harvest Moon“-Serie sind ungefähr so spannend wie Geschirrspüler ausräumen. In einer aus Quadraten aufgebauten Spielwelt werden Äcker angelegt und Feldfrüchte angebaut, Bäume gefällt und Tiere gezüchtet. Jedes kleine Quadrat (meine Äcker messen jeweils vier mal vier) muss einzeln gegossen, gedüngt, abgeerntet und neu besät werden. Jede Kuh will gebürstet, gestreichelt, gemolken und gefüttert werden. Tag für Tag. Und jede diese Handlung bedeutet einmal drücken. Auf den „A“ Knopf meines 3DS. Dazu gesellt sich dann noch die eigenwillige Geschichte einer Erntegöttin, die erst wieder zu Kräften kommt wenn ich einen landwirtschaftlichen Großbetrieb aufgebaut habe und irgendwann darf ich dann sogar heiraten und Kinder kriegen – wenn für dererlei Albernheiten Zeit bleibt.
Denn in Wahrheit ist „Harvest Moon“ eine Parabel auf den Post-Kapitalismus mit seinen Ich-AGs und Burnout-Patienten, auf missverstandenen Unternehmergeist und die kippende Work-Life-Ballance. Noch vor Sonnenaufgang steht mein Bauernjunge auf der Matte um mit dem Gießen zu beginnen. Quadrat für Quadrat, Acker für Acker. Um acht taucht dann auch der Händler auf, der Gemüse an- und Samen verkauft, aber eben nicht schon um fünf Uhr früh ackert. Nach dem kurzen Handel geht’s wieder ans Gießen. Nach ein paar Spielstunden taucht dann endlich eine Fee der Erntegöttin auf und bietet mir Hilfe bei der Bewässerung an. Vier bis neun Quadrate schafft er am Tag. Den Rest mache dann eben ich. Und weil ich nach Sonnenuntergang noch Zeit habe stocke ich die Zahl meiner Äcker auf zehn auf. Hundertsechzig Quadrate. Aber Äcker bedeuten Profit und erst um fünf Uhr früh knickt mein junger Landwirt ein und wird von einer Fee ins Bett gebeamt – um wenige Stunden später wieder zu Gießen.
Das Spiel wäre gemütlich, mit weniger Äckern. Aber der Fortschritt wäre noch langsamer. Und weil ich so erfolgreich bin schalte ich auch die Stallungen frei und züchte neben den zehn Äckern noch Vieh. Gießen verursacht mehr und mehr Stress und jeder falsche Schritt den mir die fummelige Steuerung einbockt kostet Zeit und zehrt an den Nerven. Eigentlich wollte ich schon vor Tagen zum Schmied um eine scharfe Axt zu kaufen, aber mir bleibt keine Zeit. Und wenn dann doch einmal ein Regentag das Gießen übernimmt hat der Schmied frei. Ich bin nämlich der einzige im Spieluniversum, der immer arbeitet. Sogar die Feen machen Wochenende. Ich bin am Feld und gieße.
Spaß macht „Harvest Moon: Das verlorene Tal“ nicht. Aber streckenweise fühlt es sich an wie eine buddhistische Weisheit. Irgendwann liegen vier der zehn Äcker brach und mein Bauernjunge sitzt am Fluss und angelt. Und das Spiel gibt mir zu jedem gefangenen Fisch eine Längenangabe und gratuliert zu neuen Rekorden.
»Harvest Moon: Das verlorene Tal« ist bereits für 3DS erschienen.