Ja, es gibt eine Menge elektronische Musiker aus Österreich, die wir und alle anderen bisher arg vernachlässigt haben. Sie heißen Rene Rodrigezz, Darius & Finlay und Harris & Ford – und vielleicht hatte das auch seinen Grund.
"Alle reden immer von Dorian Concept." Das war sogar ein Artikeltitel bei uns. Und es stimmt. Während Dorian Concept, Salute, Florian Meindl oder Sohn oft gefeatured wurden, hat sich um die mindestens genauso erfolgreichen Acts wie Rene Rodrigezz, Darius & Finlay oder Harris & Ford niemand gekümmert. Vielleicht weil man über die Musik von diesen Herren nicht so lange reden kann, weil sie keiner als musikalische Wunderkinder bezeichnet und weil "der Reigen aus feinen Synths und Melodien" fehlt.
Den braucht man aber offensichtlich nicht, um elektronische Musik zu verkaufen, das klappt auch mit Muschihouse, Schranz-Techno-Überbleibseln, EDM und Kollaborationen mit sexy Sängerinnen. Das macht sich halt auf wichtigen Empfängen oder bei Popfesten nicht so gut, sondern eher betrunken am Wochenende. Mitsingen sollte man können und die Worte "Shake", "Party" oder "Dance" sollten vorkommen. Ein sexistisches Video wär auch noch gut.
Started from the bottom…
Rene Rodrigezz startete seine junge Karriere im Empire St. Martin, einer Dorfdisko in Oberösterreich. Als Resident DJ eroberte er von dort aus die Welt. Mehr oder weniger. "In Korea ist ein Rene Rodrigezz genauso bekannt wie ein David Guetta" sagt Rene Seidl in einem der wenigen Interviews. Die fehlende mediale Präsenz hat seinem Selbstbewusstsein aber nicht geschadet. Gemeinsam mit DJ Antoine (kann man von "Welcome to St. Tropez" kennen) und MC Yanko landete er 2013 seinen größten Hit: Shake 3x. Fortgesetzt hat sich der Erfolg dann bei Around the World. Im Video spielen Mädels in Bikinis Fußball und catchen sich später um den Ball – die Ästhetik gleicht der der Musik.
Baby we can do it
Nicht minder erfolgreich sind Christian Gmeiner und Johann Gmachl als Darius & Finlay. Ihren Durchbruch schafften sie mit dem Partytrack "Do It All Night", der nicht nur auf Maturareisen sondern auch in internationalen Clubs zum Hit wurde und ihnen einen Vertrag beim Major Label Sony bescherte. Weil der Track so erfolgreich war, haben sie ihn zwei Jahre später nochmal selbst geremixt und zwei Compilations danach benannt. Für 2015 gibt’s überigens auch einen Sommerhit: "Tropicali, we’re here to party." – Reizwort "Party" verwendet, Saxophone-Sample, BumBum, Frauenstimme, das wird was, fix! Wer noch nicht so überzeugt ist, kann sich immerhin von Youtube-Kommentaren aufheitern lassen: "wenn man es öfters hört, wird es immer besser =) ".
Das geht BOOM!
Zugegeben, Harris & Ford spielen nicht in der selben Liga wie die beiden oben genannten. "Wir brauchen Stimmung. Wir wollen die Hände oben sehen" hört man ein blondes Girly im neuesten Track singen. Was dann folgt sind Voice Overs von den Machern selbst unterlegt mit Hardstyle-Beats und Yeah. Im Unterschied zu den anderen schaffen es Kevin Kridlo und Patrick Pöhl ihr Publikum zu deutschen Lyrics feiern zu lassen. Ihre Tracks "Legendär", "Tick Tack" oder "Das geht Boom" waren immerhin in den Charts, Universal Deutschland steckt teilweise dahinter.
Und warum das alles?
Sie und viele andere sind ohne Frage erfolgreich, sie werden von Major Labels vertreten und verdienen mit ihrer Musik nicht wenig Geld. Warum sie medial so unterrepräsentiert sind?
– Vielleicht weil Fragen nach dem tieferen Sinn überflüssig sind.
"Was habt ihr euch bei "Diese Nacht wird Legendä-ä-ä-ä-ä-r eigentlich gedacht? Hat das etwas mit eurer Reise nach Nepal vor zwei Jahren zu tun? Verarbeitet eure Sängerin darin ihre Kindheit?" Nein. Die Nacht wird legendär, weil sie legendä-ä-ä-ä-ä-r wird.
– Vielleicht weil sie nüchtern wirklich nur schwer aushaltbar ist.
Die meisten Tracks sind schätzungsweise für Disco, Maturareise und Ballermann gemacht und da ist die Toleranzgrenze wohl einfach größer. Mir fehlt schlicht der Glaube, dass es einen anderen Grund außer das Schreiben dieses Artikels gibt, sich einen Track wie Boom Shaka Laka nüchtern und ohne Partyumfeld anzuhören.
– Vielleicht weil sich Musikredakteure zu intellektuell fühlen, um sich mit ihrer Musik näher zu beschäftigen.
Shame on us.
– Vielleicht aber auch weil die Künstler die Promotion gar nicht so nötig haben.
Wer in Korea so groß wie David Guetta ist, braucht eigentlich nicht noch mehr Fans.
Tatsache ist, das sie auf Festivals spielen, Awards gewinnen, Dance Charts anführen und zur österreichischen Musik ebenso dazu gehören wie Dorian Concept, Hvob, Klangkarussell und Co. Und das mit schiefem Gesang, dicken Beats, sexistischen Videos und Ballermann-Flair. Ist so.
Einen Überblick darüber, welche heimischen Musiker das Netz eigentlich liebt, versucht das Musicmeter zu geben. Geh hin und wundere dich.