Politik ist per Definition Pop. Und da Film ja angeblich immer noch das Leitmedium unserer Gesellschaft ist, sind hier elf Filme, die das verdeutlichen.
Fang den Haider (2015)
Rhetorisch war Haider begabt. Und in keinem anderen Land Europas fanden seine rechtspopulistischen Parolen lange Zeit so großen Anklang wie im nie wirklich entnazifizierten Österreich. Heute ist die Situation mit Orban in Ungarn, Lech Kaczynski in Polen, dem Front National in Frankreich, Beppe Grillo in Italien oder Geert Wilders in den Niederlanden jedenfalls eine andere (Überblick hier). Die belgische Filmemacherin Nathalie Borgers war im Jahr 2000 das erste Mal in Österreich: zur Zeit der berüchtigten Regierungskoalition Schüssel I. Die FPÖ mit Haider an der Spitze regierte mit der ÖVP unter Schüssel. 13 Jahre später kommt die Belgierin zurück und erstellt dieses Porträt eines Populisten, an dem sich natürlich wieder einmal die Geister scheiden.
Die Welle (2008)
Wie entstehen eigentlich autoritäre gesellschaftliche Strukturen? Dass es schneller und einfacher gehen kann, als viele glauben würden, führt uns Jürgen Vogel hier in seiner Rolle als Lehrer Rainer Wenger eindrucksvoll vor. Deutschland heute. Bei der jährlichen Schulprojektwoche bekommt Wenger das Thema „Autokratie“ zugeteilt und startet einen Selbstversuch mit seinen Schülern. Ob eine Diktatur noch möglich wäre? Die Schüler glauben nicht daran. Am Anfang der Gründung der Bewegung "Die Welle" stehen populistische Parolen, ein eigenes Logo, eine Website. Identitätsstiftung. Und es funktioniert. Es folgen strenge Regeln, Disziplinierung und bald entsteht eine erschreckende Eigendynamik. "Die Welle" ist nebenbei nicht aus der Luft gegriffen, sondern lehnt sich an das berühmte Sozial-Experiment "The Third Wave" im Kalifornien der Sechziger Jahre an.
The Campaign (2012)
Wie gefährlich ist Populismus in der Politik? fragte die Süddeutsche Zeitung im August 2015. Anlass dazu gab vor allem Präsidentschaftskandidat, Unternehmer und Multimilliardär Donald Trump und sein höchst populistisch geführter Wahlkampf. Das schon vor Trump einiges falsch war mit dem Wahlkampf in den USA, bringt "The Campaign" mit zugegeben leichten Lachern, aber dennoch auf smarte Art und Weise zum Ausdruck. Ein amtierender Kongressabgeordneter, Will Ferell, der in einen persönlichen Skandal verwickelt ist, sieht sich einem neuen Herausforderer gegenüber: einem naiven Newcomer, Zach Galifianakis, der von zwei skrupellosen, billionenschweren Lobbyisten-Brüdern finanziert wird. Diese Brüder Motch nutzen den naiven Marty zur Durchsetzung ihrer Interessen und führen durch ihn einen populistischen und extrem manipulierten Wahlkampf. Dem Volk wird erzählt, was es hören will und Marty wird als der inszeniert, den sie sehen wollen – ein erfolgreicher Politiker und Familienvater. Alles herrlich als Satire überspitzt.
Nixon (1995)
Richard Nixon, von 1969 bis 1974 Präsident der Vereinigten Staaten, verbindet man heute vielleicht nicht mit politischem Populismus, weil sein Vermächtnis gerade durch die Watergate-Affäre und das Abhören seiner politischen Gegner höchst umstritten ist. Zudem hat er eine TV-Debatte gegen John F. Kennedy verloren – angeblich wegen ungünstiger Schweißflecken im zu heißen TV-Studio. Im Film von Polit-Bio-Pic-Regisseur Oliver Stone werden vorrangig die Jahre von 1960 bis 1974 behandelt. Bis hin zu seinem Rücktritt am Ende des Vietnam-Kriegs. In einem Film mit ähnlichem Thema – "Frost/Nixon" von 2008 – sieht man auch den süffisanten, den scharfzüngigen und schmeichlerischen Nixon. Sein politischer Gegner George Wallace läutete eine neue Ära des amerikanischen Populismus ein er gilt als progressiver Populist.
The Great Dictator (1940)
Charlie Chaplin at his best. Uralt, aber immer noch großartig. Die Uraufführung fand bereits 1940 statt und war dementsprechend kontrovers. Angeblich soll Hitler den Film mehrmals angefordert haben, ob er ihn wirklich gesehen hat, bleibt fraglich. In diesem steht für Diktator Adenoid Hynkel die Expansion seines Reiches an erster Stelle, ohne Rücksicht auf Verluste. Der erste Tonfilm von Chaplin arbeitet mit einer fiktionalen Sprache, was Mimik und Gestik auf besondere Weise ins Scheinwerferlicht rückt. Unvergesslich und bewegend bleibt die Schlussrede über Menschlichkeit, Toleranz und Freiheit. Wenn man politischen Populismus als opportunistische, volksnahe Politik versteht, welche oft mit Dramatisierung der Lage versucht das Volk zu gewinnen, dann kannn man Hitlers Reden als Paradebeispiel für ein populistisches Auftreten werten. Chaplins Satire auf den deutschen Nationalsozialismus entlarvt die Absurdität dieses Auftretens durch eine noch absurdere Kopie dessen.
Mein Bruder ist ein Einzelkind (2007)
Italien 1962. Eine Familie im Blickpunkt, zwei Brüder mit entgegengesetzten politischen Gesinnungen. Manrico, der ältere, glaubt wie die Schwester an den Kommunismus. Aktiv in der Szene, organisiert er Streiks in Gewerkschaften, Versammlungen etc. Accio bekennt sich teils aus Überzeugung, teils aus Opposition gegenüber seinen Geschwistern zum Faschismus. Beide suchen nach Lösungen für die ärmliche Familiensituation, doch beide Extreme wollen nicht so recht aufgehen. Als Manrico beginnt sich zu radikalisieren, wendet sich Accio vom Faschismus ab. Eine Geschichte, die erzählt, wie populistische Ideen ins Extreme gehen, Familien spalten und Massen mitreißen können, wenn sie auf fruchtbarem Boden wachsen. Der fruchtbare Boden ist hier die Unzufriedenheit der Arbeiter und die prekäre Situation der Bevölkerung. Manrico, der ein charismatischer Redner ist, wird zum Anführer der kommunistischen Bewegung. Dabei praktiziert er einen regelrechten Glauben an den Kommunismus, den er auch von allen anderen erwartet. Dabei merkt er nicht, wie er selbst zum Populist wird – immer auf der Seite des einfachen Arbeitervolkes, aber stark polarisierend. Die Geschichte spielt übrigens zum Großteil in Latina, der ersten faschistischen Retortenstadt, deren Bau unter Mussolini in den 1930ern angeregt wurde.
They Live (1988)
Alt-Meister John Carpenter inszenierte in den späten 80ern "They Live" mit Roddy Piper in der Hauptrolle. Hier gilt es ganz wörtlich zu hinterfragen, was man sieht. Aliens sind Populisten Im Film spielt Piper den arbeitslosen Tagelöhner Nada, dessen Sicht auf die Welt sich schlagartig ändert, als er eine Schachtel voll Sonnenbrillen findet und eine davon aufsetzt. Viele seiner Mitmenschen sind reptilienartige Aliens, die es sich zum Ziel gemacht haben, die Menschheit zu kontrollieren und auszubeuten. Populistische Parolen wie etwa "Obey" oder "Consume" prägen das Stadtbild. Nada schließt sich daraufhin einer Gruppe von Widerstandskämpfern an und geht mit allen Mitteln gegen die außerirdische Unterdrückung vor.
Bob Roberts (1992)
1990. Selfmade-Millionär und Folkmusiker Bob Roberts will Senator von Pennsylvania werden. So zieht er durch die Lande und bringt sein populistisches Weltbild in Form von kontroversen Parolen unters Volk. Um ans Ziel zu kommen gehen Roberts und sein Team über Leichen: Erpressen, drohen und bestechen gehören dazu. Am Ende wird sogar ein politisches Attentat vorgetäuscht, der Politiker landet nur scheinbar im Rollstuhl, um Wählerstimmen für sich zu gewinnen. Die Rechnung geht auf, er wird zum Senator gewählt. Tim Robbins verfilmte 1992 die bissige Sozialsatire auf den US-amerikanischen Wahlkampfwahnsinn. Personifizierung von Politik, Polarisierung des Publikums,bzw. der Wählerschaft sind Aspekte von populistischem Auftreten, die in Bob Roberts gut zur Geltung kommen.
Fahrenheit 9/11 (2004)
Diesmal haben wir unser Augenmerk darauf gerichtet was hinter der Kamera passiert. Sicherlich einer der umstrittensten Filme der letzten 15 Jahre ist Michael Moores Fahrenheit 9/11. Populistisch, vereinfachend, polemisch lauten einige der gängigsten Vorwürfe. Moore erfindet keine Geschichten, er ist kein Lügner – das wäre zu einfach. Er lässt nur manche Wahrheit aus, und eine andere irreführend stehen und schnipselt sich so sein Bush-Bashing zusammen. Damit greift er im Grunde genommen zu ähnlichen Methoden, die er an der Bush-Regierung so kritisiert. Der Linksaktivist siedelt seinen Film dabei geschickt im Bereich des Infotainment an. Diese Tatsache und das Image des Bösewichts, das George W. Bush ohnehin schon hatte, verschleiern so seine doch recht populistische Botschaft. Hier geht es zum Trailer.
The Dictator (2012) (© 2012- Paramount Pictures)
Geschrieben und gespielt vom britischen Komiker Sacha Baron Cohen, inspiriert durch den Roman "Zabibah und der König" des bereits hingerichteten irakischen Diktators Saddam Hussein, bringt der Film "The Dictator" Populismus in seiner reinsten Form zum Ausdruck. Auf lustige Art und Weise. Admiral General Aladeen regiert diktatorisch über sein Volk, dass er um jeden Preis vor der Demokratie "bewahren" möchte. Beim kleinsten Verstoß gegen seine Regeln, symbolisiert er mittels einer Handbewegung das Köpfen der Person. Er selbst schwelgt in Reichtum und leistet sich gerne sexuelle Eskapaden. Dieser Satz aus einer Rede bringt die populistische Einstellung des Diktators besonders zur Geltung: "Wieso seid ihr alle so gegen Diktatoren? Stellt euch vor, Amerika wäre diktatorisch geführt. Ihr könntet den gesamten Reichtum des Landes auf nur 1% der Bevölkerung verteilen." Erst als er die linksalternative Politikaktivistin Zoey kennenlernt, nimmt das Leben des Ich-Denkers eine Wende. Ein kurzer Einblick.
The Hunger Games (2012 - 2015) (© 2011 Lions Gate Films Inc.)
Es herrscht Diktatur im Ort Panem in einer nicht näher definierten Zukunft behandelt. Panem wurde nach einer Rebellion offiziell in Distrikte unterteilt, die jährlich in den "Hunger Games" gegeneinander antreten müssen. Begeleitet wird das Ganze von einem absurden Entertainment-Apparat, der alle Schritte der sog. Tribute in Großaufnahme und zahlreichen Interviews verfolgt. Ziel ist es, alle Gegner zu töten um als alleiniger Sieger hervorzugehen. Das Ziel? Die Menschen zu kontrollieren, einzuschüchtern und ruhig zu stellen. Populismus kommt hier von Populus, dem Volk, das wie in einem antiken Zirkus mit Brot und Spielen unterhalten und abgelenkt wird. Die Protagonistin Katniss Everdeen wird andrerseits im Fortgang der Geschichte zur Symbolfigur für den Aufstand – mit dem Spotttölpel (Mockingjay) als Wappentier – sie wird aber auch selbst immer mehr funktionalisiert, muss populistische Spots drehen, als Personifizierung der Bewegung, gegen ihren Willen. Einen Einblick in die Spiele gibt es hier.
Wenn in Österreich von politischem Populismus die Rede ist, ist man in Gedanken schnell beim Jungen, den niemand lieb hatte. Populismus kann allerdings in allen Lagern und Schattierungen auftreten. Er bietet einfache Lösungen auf komplexe Probleme an. Das bedeutet oft, dass Politik nach den Interessen von denen gemacht wird, die am lautesten schreien. Und nicht, nach den Interessen des Gemeinwohls.
Populismus hat viele Gesichter. Und einfache Antworten werden wohl in den kommenden Jahren nicht weniger Gehör finden. Zum einen schaffen sich populistische Meinungen Raum in den klassischen und in sozialen Medien. Auf der anderen Seite provoziert diese politische Medienkultur Reaktionen – Zuspruch wie auch Widerspruch. Wir haben elf Filme betrachtet, die recht unterschiedlich mit dem Thema des politischen Populismus umgehen.
Die Ausstellung "Politischer Populismus" läuft noch bis 7.2 in der Kunsthalle Wien.