Wir haben uns ein paar Werke und Künstler der Ausstellung "Politischer Populismus" in der Kunsthalle Wien genauer angesehen – dazu, welche Rolle Geheimdienste des 16. Jahrhunderts, Volkswagen oder überschuldete amerikanische Studenten spielen.
Christian Falsnaes – Front, Foto von esel.at (© Courtesy PSM/ Berlin)
Der dänische Künstler Christian Falsnaes beschäftigt immer wieder mit der Beziehung zwischen Künstler und Publikum. Falsnaes hinterfragt menschliche Beziehungen, autoritäres und kollektives Gruppenverhalten, untersucht Körpersprache und befasst sich mit Themen wie dem "freien Wille" und der "Individualität". Somit schärft er das Bewusstsein dafür, wie sich Menschen verhalten, wie sich die Macht der Gemeinschaft auf vielerlei Weise selbst entlarvt und manipuliert werden kann. Einen Video einer Performance von "Front" auf der Art Basel Miami gibt es hier.
Hito Steyerl – Factory of the sun (© Hito Steyerl)
In Hito Steyerls "Factory of the Sun" ist alles superdigital. In Form eines Computerspiels aus den Neunzigern mit unterschiedlichen "Modes" wechselt der Film zwischen unterschiedlichen Realitätsebenen. Programmiert von der Erzählerin selbst, werden die Darsteller uns als Zwangsarbeiter in einem "Motion Capture Studio" vorgestellt. Dabei handelt es sich um eine technische Einrichtung, die Bewegungen einer Person in Lichtimpulse verwandelt und die Basis für die Bewegung der Figuren in der virtuellen Realität des Spiels bildet. Hinsichtlich der Verflechtungen von digitalen Informationsströmen, ökonomischen Interessen und sozialen und kulturellen Verwerfungen hat das Werk die Absicht, die verbliebenen Handlungsspielräume der politischen Individuen und Subjekte auszuloten und zu verteidigen. Einen kurzen Einblick bekommt man hier. Die Arbeit galt als eines der Highlights der abgelaufenen Biennale in Venedig. Dort konnte man sich das Video – wie auch in Wien – in Liegestühlen in einem Art Holodeck ansehen. Die Musik stammt übrigens u.a. von Fatima Al-Qadiri.
Simon Denny – Secret Power Highlighted, Foto: Stephan Wyckoff (© Porträt Simon Denny, Foto: Nick Ash)
"Secret Power Highlighted" von Simon Denny ist die zweite Iteration der Installation "Secret Power", die bei der 56. Biennale in Venedig, auf zwei Orte verteilt (Marco Polo Flughafen und Marciana Bibliothek), ausgestellt war. Die Darstellung von modernen Geheimdienstsystemen und jenen der Weltmacht Venedig im 16. Jahrhundert stehen im Fokus. Auch die Fallstudie einer besonderen Abbildung des früheren NSA-Kreativdirektors des "Defense Intelligence", David Darchicourt sorgt für Aufmerksamkeit. Es wird hinterfragt, auf welche Art die Elite-Staatsmächte des 16. und 21. Jahrhunderts Informationen gesammelt und repräsentiert haben und inwiefern dies mit den Ausdrucksformen von Autorität und nationaler Einheit zusammenhängt. Simon Denny greift dabei auf Elemente beider Zeitepochen zurück: Boden- und Wandvinyle der venezianischen Marciana Bibliothek stehen für Wissen und Prestige; die Server-Racks, die sich wie Glasvitrinen verdoppeln, beinhalten plastische Interpretationen von Grafiken, die von Elite-Geheimdiensten genutzt wurden. Der Künstler setzt damit Staatssymbole für Wissen und Macht nebeneinander.
Marcel Odenbach – Deutsches Symbol (© Kunsthalle Wien/ Courtesy der Künstler)
Vor dem Hintergrund des aktuellen Abgasskandals setzt sich das VW-Zeichen zusammen aus einem Text von NS-Propagandaschriften. Mit dem Titel "Deutsches Symbol" verweist Marcel Odenbach nicht nur auf die VW-Krise und deren Auswirkungen, sondern auch auf Politiker, die vor der Macht der Unternehmen kapitulieren.
Ahmet Öğüt – Pleasure Places of All Kinds (© Kunsthalle Wien/ Stephan Wyckoff)
"Pleasure Places of all Kinds" zeigt Vergnügungsorte der etwas anderen Art. Es handelt sich hierbei um maßstabsgetreuer Modelle von bekannten Nagelhäusern, die Ahmet Öğüt gemeinsam mit seinem Bruder Suat gefertigt hat. Der Begriff "Nagelhaus" ist eine chinesische Wortneuschöpfung für ein Gebäude, dessen Besitzer sich weigern, ihr Heim gegen einen Neubau, meistens größere Gewerbegebäude, einzutauschen. Nagelhäuser gibt es hier in zweierlei Ausführung: eines aus Yichang und eines aus Qingdao. Die "dickköpfigen Nägel" stehen für Widerstand, da sie in einem harten Stück Holz stecken und nicht mit einem Hammer eingeschlagen werden können. Damit wird auch die Stärke individueller Aktionen gegen die Macht von angeblich höheren Interessen dargestellt.
Ahmet Öğüt – Anti Debt Monolith (© Kunsthalle Wien 2015, Foto: David Avazzadeh)
Ahmet Öğüts "Anti-Debt Monolith" ("Anti-Schulden Monolith") stellt eine schwarze, turm-artige Stahlskulptur dar, die durch den Einwurf einer Münze aktiviert wird und den stetigen Anstieg überschuldeter Studierender in den vergangenen zehn Jahren in den Vereinigten Staaten zeigt. Das Kunstwerk ist unter anderem Teil des Projekts "Day after Debt", sämtliche Einnahmen, die von der speziell angefertigten "Fundraising- Maschine" gesammelt werden, gehen an "The Debt Collective", eine Schuldenschnitt- Initiative, die von "Strike Debt's Rolling Jubilee" gegründet wurde.
Keren Cytter – Metamorphosis (© Keren Cytter)
Auseinandernehmen und auf unterschiedlichste Weise wieder zusammenfügen, das ist der Stil von Keren Cytter. In ihrem Werk "Metamorphosis" vereint sie Filmmaterial aus Youtube-Videos, Dokumentarfilmen und Hollywoodklassikern wie James Bond und "Scream" mit Stimmen aus dem "Off" und "Kush 'n' money instrumetal rap beat" von Browski Music. Ziel der Künstlerin war es, herauszufinden, inwiefern Themen wie Paranoia, Schurken und Angst Einfluss auf unseren Alltag und geschichtliche Ereignisse nehmen. Elemente des klassischen Kinos treffen auf Charaktere, die in Mord, Rache und Liebe verwickelt sind, es entsteht eine etwas düstere Stimmung mit kritisch- provokantem Unterton. Durch die Kombination aus älteren und neuen Filmelementen entsteht am Ende eine verwirrende Erzählung über das Wesen der Transformation.
Zur Ausstellung sind bereits zwei Artikel bei uns erschienen. Während man bei "Bad Hair" eine Sammlung von Populisten und deren Frisuren bewundern kann, werden in "Die einfachen Lösungen" elf Filme dargestellt, die den Zusammenhang zwischen Politik und Pop verdeutlichen.
Die Ausstellung "Politischer Populismus" läuft noch bis 7.02.2016 bei freiem Eintritt in der Kunsthalle Wien.