Ein Schnupfen geht um im Land. Auch Ö3 hat sich verkühlt. Ein Weltuntergang, der keiner ist.
Die Reichweite von Ö3 ist dieses Halbjahr weiter zurückgegangen. Laut Kurier ist die Hörerschaft in der werberelevanten Zielgruppe gar um "überdeutliche" 1,5 % geschrumpft. "Massiv". Steht sogar in der Überschrift. Wahnsinn.
Schuld an dieser Entwicklung soll laut Kurier, so muss man den Artikel lesen, vorallem die Regelung sein, 15 % österreichische Musik zu spielen. Und das, obwohl man diese Quote derzeit nicht annähernd einhält. Radiodirektor Karl Amon und Ö3-Senderchef Georg Spatt lassen dies im Kurier-Interview durchblicken, konkret wird aber keiner von beiden. Dafür ist der ein oder andere Shitstorm, der mit dem Thema in Verbindung steht, noch zu präsent. Das überlässt man einfach willfährigen Journalisten. Auch Der Standard übernimmt die Meldung, ohne den Spin – österreichische Musik ist Schuld an sinkenden Quoten – zu hinterfragen.
Es liegt nicht nur am Austropop
Georg Spatt bleibt im Gespräch mit The Gap bei seiner Aussage, gibt aber zu, dass es nicht nur am Austropop liegt. "Auch, dass wir kein Visual-Radio und keine Webstreams anbieten dürfen, lastet auf uns", so Spatt. Man habe mit 1. Juli das Programm gravierend umgestellt und es dauere halt, bis sich die Hörgewohnheiten verändern. Dass er kein Freund der Quote ist, sei aber bekannt.
Im Netz sieht man das natürlich etwas anders.
Auch auf Twitter schlägt man sich hauptsächlich auf die Seite der österreichischen Musiker. Spatt sei ein "fester Trottel" und pauschalisiere "eine ganze Musiklandschaft", sagt Hannes Tschürtz, Geschäftsführer von InkMusik. Die Beleidigung nimmt Tschürtz später zurück, die Kritik nicht. Elisabeth Hakel gibt Tschürtz recht, würde sich aber anders ausdrücken. Immerhin sitzt sie ja im Nationalrat (SPÖ). Weitere Reaktionen findet man hier.
Hannes Eder, langjähriger Chef von Universal Austria, findet die Aussage disqualifiziert sich von allein. “that’s way to cheap”, meint er in Richtung Spatt, ohne aber konkret zu werden. Er fordert nicht nur eine Handvoll Songs rauf und runter zu spielen. Die Sendestatistik aus letztem Jahr, legt nun nahe, dass dem ohnehin nicht so ist.
Der Fachverband Film and Music Austria fordert durch die Blume den Kopf von Spatt. Dieser habe sich gerade disqualifiziert.
Thomas Heher, Organisator des Waves Vienna sieht die Schuld eher im eigenen "Versagen der letzten Jahrzehnte" und spottet auf Facebook, dass man nun "Gott sei Dank die heimische Musik verantwortlich machen" könne.
Vom Fakt her
Fakt ist auch, dass die Reichweite von Ö3, verglichen mit anderen Ländern, noch immer enorm ist. Und im ersten Halbjahr nach Veränderung des Sendeschemas mit mehr Musik aus Österreich blieben die Quoten immerhin unverändert und alle jubelten. Man könnte sich auch fragen, ob solche Zahlen nicht eine Reichweitenblase darstellen, die realistisch längerfrisitig gar nicht haltbar ist und nur durch jahrzehntelange Konkurrenzlosigkeit zustande kam. Marktanteile von über 40% im Jahr 2016. In Österreich gibt es das noch. Auch Spatt gibt zu: "So schlimm ist das alles gar nicht". Man liege noch immer weit voran und sei froh, die Umstellung zu diesem Zeitpunkt gemacht zu haben. Auf die Frage, ob denn ein direkter Zusammenhang herstellbar wäre – österreichischer Song, weniger Quote – konnten wir keine genaue Auskunft erhalten.
Das ist alles sehr verwirrend. Selbst wenn Wanda, Bilderbuch und Christina Stürmer es gemeinsam geschafft haben, dass in Österreich ein bisschen weniger Ö3 gehört wird. Who cares? Nicht einmal Ö3 anscheinend. Das ist doch schon was.