Regisseur Daniel Hoesl im Interview über hinterfotzige Banken, die Langeweile im Frankfurter Finanzviertel und warum er und Investor Nicolas Berggruen sich gegenseitig auf Twitter folgen.
Regisseur Daniel Hoesl hat einen Film gedreht, der jetzt ins Kino kommt: "Winwin", eine Satire auf extrem solvente Investoren, die weltweit mit ihrem Geld auf Shopping-Tour gehen und Unternehmen kaufen. Man erinnere sich: Raubtierkapitalismus, Casinokapitalismus, Turbokapitalismus, Heuschreckenkapitalismus. Das waren vor ein paar Jahren die Buzzwords von kritischen Debatten über die Art und Weise, wie Marktwirtschaft betrieben wird. Auch wenn die Bottom-up-Kritik am Finanzkapitalismus heute nicht mehr so laut in den Diskurs vordringt, wie zuzeiten der Occupy-Bewegung, ist das Thema nicht einfach verschwunden.
"Winwin" wirft streng komponierte Blicke in Privatjets, Hotelzimmer und Konferenzräume, um einem Team globaler Finanzinvestoren bei der Arbeit zuzusehen. Im April kommt das Ganze in die Kinos. Wir haben uns mit Daniel Hoesl auf einen Plausch über die weltweite Finanzelite getroffen.
Du hast einen Film über Investoren gemacht. Wieso eigentlich eine Satire?
Es gibt viele Dinge, mit Lebensrealität umzugehen. Und die Form, wie Banken und die Finanzwirtschaft mit uns umgehen, mit uns Bürgern, ist so hinterfotzig, dass ich mich schwer tue, das noch ernst zu nehmen, obwohl es doch ernst ist. Es ist so furchtbar ernst. Wenn etwas so traurig ist, mir so widerstrebt und ich mich gleichzeitig so hilflos fühle, dann hilft nur noch das Lachen, auch wenn es im Hals stecken bleibt.
Und glaubst du, dass sich die Finanzwelt auch aus der Innenansicht ernst anfühlt, oder haben die Investoren und Händler daraus ein Business entwickelt, das viel banaler funktioniert, als man von Außen annimmt?
Ja. Darum geht es. Diese Worthülsen, die Machenschaften und die Rhetorik, die dafür benutzt wird, mit Milliarden zu spielen, die muss aufgedeckt werden.
Was ist das für eine Rhetorik?
Die Wahrheit ist die Lüge und die Lüge ist die Wahrheit in dieser Rhetorik. Wir sind das schon gewohnt aus dem Fernsehen, wo Talking Heads uns Wahrheiten verkaufen, die wir für bare Münze nehmen. Die Lüge prägt unseren Alltag. Allein diese Grundvoraussetzung, an das Geld zu glauben, quasi per Verfassung. Da werden ganz viele Grundsysteme des Kapitalismus – der ja per se auch nicht schlecht ist – gar nicht hinterfragt.
Als ich den Film gesehen habe, hatte ich ganz lange gar nicht das Gefühl eine Satire zu schauen. Entlarvt das, wie sehr ich an diese Wirtschaftssprache gewöhnt bin?
Wahrscheinlich ist es das. Da geht es natürlich jedem anders. Ganz viele Leute finden ja nur sehr schwer einen Zugang zu dieser Sprache. Das hat auch mit dem Österreichischen zu tun. Für Österreicher wirkt das alles sehr künstlich, auch wenn es gleichzeitig ganz alltäglich ist. Man muss sich nur einmal Wirtschaftsnachrichten anschauen. Viele der Texte im Film haben wir ganz einfach aus irgendwelchen Reden bei Youtube übernommen und gar nicht verändert. Überzeichnet und stilisiert wird das dann im Film eigentlich nur noch durch die Ästhetik, die wir einsetzen.
Im Film treten Finanz-Investoren als Unternehmens-Retter auf. Da geht es um Sale-Lease-Back-Geschäfte, bei denen der Verkäufer das zurückleast, was er vorher selbst verkauft hat. Laufen solche Deals so, wie ihr es im Film zeigt, und wer redet gern darüber?
In unserer Recherche haben wir uns mit irrsinnig vielen Fonds-Managern getroffen, wir haben uns mit Milliardären getroffen, mit Investment-Relations-Managern. Die haben aus ihrem Alltag erzählt, wie das Geschäftemachen eben so läuft. Wie eine Due-Diligence-Übernahme über die Bühne geht, wie so ein Treffen mit einem Pensions-Fonds abläuft, wo es um das Geld und das Leben von tausenden Leuten geht. Das ist natürlich eine heikle Geschichte. Das ist eine Blackbox.
Und aus diesen Gesprächen haben sich konkrete Motive und Szenen im Film ergeben?
Naja, also zum Beispiel Sandberg – ein Charakter im Film – spricht fast ausschließlich Text, den Nicolas Berggruen in der Realität gesprochen hat.
Das war dieser gefeierte Retter des maroden Karstadt-Konzerns in Deutschland vor ein paar Jahren. Was macht der eigentlich inzwischen?
Also Nicolas Berggruen hat Karstadt ja nicht wirklich saniert… Dafür gehören ihm hunderte Unternehmen, darunter zu großen Teil Burger King, oder Le Monde, oder auch Huffington Post. Er ist sehr aktiv als Lobbyist und Best Friend mit allen möglichen Politikern. Zum Beispiel mit Gerhard Schröder, diesem Kommunalpolitiker aus Deutschland. Zurzeit lebt er in Kalifornien, betreibt einen eigenen Think Tank, ist jedes Jahr aktiv beim Word Economic Forum in Davos.
Ist Berggruen die Blaupause für Sandberg im Film?
Berggruen ist für mich einer der inspirierendsten Menschen, weil er die Banalität des Bösen in unserem Finanzwesen verkörpert.
Habt ihr auch Berggruen für die Recherche getroffen?
Nein, aber ich folge ihm bei Twitter und er folgt mir. Da ist man sich schon sehr nahe. Er war kürzlich mal mit Moby in einem Restaurant in Los Angeles, wo ich auch einmal viel Zeit verbracht habe. Und das war ganz in der Nähe von dort, wo ich damals gewohnt habe. Als er das gepostet hat, habe ich mir gedacht: wenn ich nun auch dort wäre und dieser Milliardär käme hereinspaziert, der würde mir nicht einmal auffallen. Das große Geld fällt heutzutage gar nicht auf, das stellt sich nicht so aus. Berggruen bezeichnet sich selbst als Mobile Homeless, weil er im eigenen Jet von Hotel zu Hotel geflogen ist, anstatt irgendwo wirklich zu bleiben oder zu leben.
Im Film gibt es diese Settings. Privatjet, Hotelzimmer, Konferenzräume, Banken. Das sind Räume, wo Deal Making stattfindet. Alles sehr clean und nüchtern. Auch ein bisschen austauschbar. Machen diese Räume irgendwas mit den Leuten darin?
Naja also die Menschen, die diese Räume geschaffen haben, gab es schon, bevor es diese Räume gab. Die Charaktere im Film sind auch gar nicht so nüchtern, wie die Räume. Die haben schon Charme und Witz. Die Räume sind natürlich trotzdem charakteristisch.
Das beste Beispiel für solche Orte ist Frankfurt: wie geschaffen für einen Finanzplatz. Es ist grau. Unendliche Langeweile. Wiesbaden als Mehlspeisen-Geriatrie gleich daneben. Und natürlich Nutten und Drogen im Bahnhofsviertel. Dann geht man über den Zebrastreifen und ist im Finanzviertel. Plötzlich ist alles generic und Fassade, und flach. Und keine Haltung.
Welche Haltung fehlt einem Ort wie dem Frankfurter Finanzviertel?
Da geht es um die kulturellen Werte, die Europa prägen. Da findet der reinste Ausverkauf statt, nur um in diesem globalen Markt eine Rolle zu spielen. Das gilt nicht nur für Finanzviertel. Nehmen wir Griechenland: Griechenland hat die Demokratie geschaffen. Jean-Luc Godard hat überspitzt gesagt: "Wie kann es sein, dass dieser Staat so verschuldet ist? Wir sollten Griechenland doch eigentlich Tantiemen für die Demokratie zahlen."
Die Demokratie heute ist in einem sehr problematischen Zustand. Die unsichtbaren, internationalen Plutokraten, die mit ihrem Charme die Banalität des Bösen verkörpern, lobbyieren an der Demokratie vorbei. Ihre Finanzmacht ist so stark, dass ein Staat für sie zum Key Account wird. Der Staat ist nur noch ein Kunde, der Probleme macht, mit seinen blöden Wünschen, mit Gewerkschaften und so.
Nicolas Berggruen hat sogar ein Buch geschrieben, das heißt "Klug Regieren". Darin geht es darum, dass die Chinesen uns irgendwann überholen werden, weil sie das bessere politische System haben. Haha!
In eurem Film trifft diese globalisierte Finanzplutokratie auf Österreich mit seinen barocken Palais’. Ist dieses Bild bewusst als Gegensatz gewählt?
Naja, ich bin ja nun einmal Österreicher, also eigentlich Europäer. Aber klar: Es trifft das Globale auf das Lokale. Das Globale zerrt am Lokalen. Das ist genau das, was man auch in Griechenland gerade sieht. Irgendwo muss das Geld ja herkommen, das man dann in Beverly Hills oder Midtown Manhattan in ein Penthouse steckt.
Die ganz großen internationalen Vermögen, die gehören sehr wenigen Leuten. Alle anderen – also wir – sind an deren Gängelband. In Österreich sind wir da mit unserem Sozialstaat ja noch in einer halbwegs guten Lage. Aber global betrachtet darf man nicht vergessen: Wenn man heute Millionär ist, ist man Mittelstand. Weil da musst du wirklich hackeln, dass du dir den blöden 7er BMW und die lächerliche Villa in Bad Soden leisten kannst. Dass einem ein Tower in Manhattan gehört, da kann man nicht so einfach hinkommen.
Zu Recherchezwecken habt ihr diese Leute getroffen, sagst du. Wo trifft man auf Superreiche?
Also meine engste Mitarbeiterin, die Julia Niemann, ist sehr gut darin, Kontakte herzustellen. In Österreich bewegen wir uns in einer Gesellschaft, in der die Superreichen immer noch sehr zugänglich sind. Es gibt ein paar Lokale, in denen sich diese Leute gern treffen. Die kann man dort einfach an der Bar ansprechen. In der Welt kennt man sich immer über sieben Ecken, und in Österreich in der Regel über eine Ecke. Es war nicht so schwer. Der Privatjet, den wir im Film verwenden durften, kostet pro Stunde 5.000 Euro, wenn man ihn fliegt. Den hat uns ein österreichischer Milliardär für den Film ausgeliehen. Sehr nett.
Und können diese Vermögenden Menschen über den Film herzlich lachen?
Wenn man zu den Gewinnern gehört, hat man immer leicht lachen.
Daniel Hoesls Satire über Superreiche läuft ab 1. April 2016 in den Kinos.