Von wegen Heiliger Geist
The Evangelicals sind geografisch wie stilistisch nahe der Flaming Lips angesiedelt, treiben sich aber doch meist im Jenseits herum: Raus aus dem Alltag der Lebenden und Rein in das Abenteuer Geisterbahn.
Die mittlerweile vierköpfigen Evangelicals hatten 2006 mit ihrem damaligen Debüt „So Gone“ schon gezeigt, dass ihnen, entgegen den Assoziationsfallen, die ihr Name gegebenenfalls aufstellen könnte, vielmehr an Geistern der Gattung Rummelplatzattraktion und 50er- bis 70er-Jahre-Gruselfilmen liegt, als an allem Geistlichen rund um den sogenannten Allmächtigen. Zwei Jahre später wird eindrucksvoll präsentiert, was das richtungsweisende Erstlingswerk nur ansatzweise anzudeuten vermochte: was einst in ausgefranster Lo-fi-Ästhetik schön schräg daherkam, wird nun detailreich um eine Hand voll abgefahrener Dimensionen und viele pompös tosenden Facetten erweitert. Der Sound von „The Evening Descends“ lässt sich nicht leicht einordnen. Als Orientierungshilfe sei deshalb nur so viel gesagt: Irgendwo zwischen Psychedelic-Pop und experimentellem Indie-Rock werden Monde angeheult, Geister beschworen, wird der Tanzboden mit Kunstblut befleckt. Schon der dritte Song „Skeleton Man“ legt die mögliche Bandbreite dieses Spuks offen und ähnlich außergewöhnlich wird bis zum finalen „Bloodstream“ fortgeführt, was, bezeichnend für das ganze Album, stilistisch jenseits der Himmelsrichtungen und vor allem nach vorne weist. Die Rhythmen des unterschiedlich gewähltem Schlagwerks scheppern zumeist treibend, verzerrte Gitarren heulen losgelöst mit Krach und/oder verspielen sich in poppig eingängigen Melodiefolgen. Währenddessen schweben über alledem Soundfetzen aus breiten Synthies und Samples (zwischen Horrorfilmwabern, Kirchenglocken, Polizeisirenen und Angstgeschrei ist hier eigentlich alles vertreten) und kollidieren mit empathisch überdrehtem Singsang, der mit hallenden Stimmeffekten auf Sängerknaben ähnliche Spitzen getrieben wird. In dieser abwechslungsreichen Atmosphäre aus Wirrwarr und Geflimmer ist in den dichten Songstrukturen nicht nur einmal Zeit für leisere Töne. Die Evangelicals bewegen sich zwischen Komplexität und spielerischem Zerwürfnis, was hilflos verloren wirken mag, findet sich auf wundersame Weise wieder zusammen. Nach all dem Schall und Rauch bleibt ein Album, vollgepackt mit Glanznummern für die Geisterstunde, die niemals aufhören soll.