Zuletzt saßen in einer Arbeitsgruppe zwölf Männern beim Brainstorming zusammen. Gähn. Die einzig anwesende Frau erfüllte den Job der Sekretärin, die alles mitzuschreiben hatte. Quasi wie das letzte Abendmahl ohne jegliche Spiritualität. Einer der Herren mahnte an, endlich das Suffix „Innen“ im Impressum der Werbeagentur abzusägen – denn Emanzipation habe sich doch längst erfüllt. Viel […]
Zuletzt saßen in einer Arbeitsgruppe zwölf Männern beim Brainstorming zusammen. Gähn. Die einzig anwesende Frau erfüllte den Job der Sekretärin, die alles mitzuschreiben hatte. Quasi wie das letzte Abendmahl ohne jegliche Spiritualität. Einer der Herren mahnte an, endlich das Suffix „Innen“ im Impressum der Werbeagentur abzusägen – denn Emanzipation habe sich doch längst erfüllt. Viel Zustimmung. Auch die Sekretärin konnte das nur bestätigen, Gleichberechtigung sei Realität.
Wer bei dieser Geschichte mit Depressionen liebäugelt: Vollkommen zu Recht. So sieht es aber doch aus – neben medial ornamentierten Erfolgsmeldungen über einzelne weibliche Führungskräfte, starke Frauen in ein paar Popbands und Ausfällen wie Eva Hermann ist der öffentliche Diskurs schon lange nicht mehr auf der Höhe. Muss er das aber überhaupt – auch das problematisiert „Hot Topic“ – wenn größere Wahrnehmung doch immer nur die Überführung in Ware bedeutet? Dass dennoch viel zu verhandeln ist und in Netzwerken wie Girl-Zines, Ladyfesten und ähnlichen viel verhandelt wurde, fasst dieser Reader aufs Anschaulichste zusammen. Sonja Eismann ist das Popfeministinnen-Role-Model, der Wochenend-Wandervogel und die Teilzeitastrologin und es gelingt ihr, die vielen losen Enden der Diskussionen um aktuellen Feminismus, zu verknüpfen. Graphisch wunderschön, thematisch jeglichen persönlich bekannten Status Quo überflügelnd findet man hier Texte zur Sache. Es geht um alles: Musikerinnen im Bandalltag (Barbara Schulz, Ex-TGV), Unterm-Durchschnitt-Leben alias Rest-Boheme (Christiane Rösinger), Haare haben (Li Gerhalter), Abtreibung (Christiane Erharter, Sarah Diehl), ach, und noch um Queerness, Identitäten-Politik, Frauenfußball, Lemmy von Motörhead und viel mehr. So inspirierend und relevant war schon ganz lange nichts mehr. Kommt man nicht dran vorbei, wenn man noch irgendwas merken will.