Nicht sudern, handeln!
Andreas Kump, Journalist und Sänger von Shy, dokumentiert in "Es muss was geben" die Anfänge der Linzer Underground Szene zwischen 1977 und 1990.
1977 erreichten Punk und New Wave die langweilige und hässliche Industriestadt Linz. Davor nervten langhaarige Progressivrocker mit endlosen Soli auf Gitarre und Querflöte in Pfarrheimen und im Radio winselte der als Austropop getarnte Schlager. Für interessante Musik musste man weit reisen, dafür fehlten das Geld und das ausreichende Alter. Die Jugendlichen stachelten alsdann die Haare mit Seife, zerrissen die Sakkos ihrer Väter und flickten die Klamotten mit Sicherheitsnadeln und Nieten. Andere wurden Neo-Mods und New Waver. Fesch gekleidet gingen alle an die Gründung von Bands, Fanzines und kleinen Veranstaltungsorten. Bands aus ganz Europa und den USA kamen nach Linz, darunter spätere Star-Combos wie Nirvana, Sonic Youth, Fugazi oder Einstürzende Neubauten. Noch später begannen die Bässe von Acid House, Techno, HipHop und Ragga zu wummern. Und viele Linzer Bands und Fans gingen hinaus, um auf den Fußböden der weiten Welt zu spielen und zu schlafen. Bands und Publikum hatten keine Zeit /weltberühmt in Österreich/ zu werden, da sie eine Szene aufbauen, erweitern und verteidigen wollten. Heute ist das legendäre Cafe Landgraf ein mieser Schnöseltreff, doch die zwei beschriebenen Kulturinitiativen Stadtwerkstatt und Kapu sind immer noch aktiv und Veranstaltungsorte von internationaler Reputation. Arrivierte Bands wie Attwenger, Texta, Fuckhead, Wipeout, Shy, Mono und Nikitaman, Seven Sioux, Valina oder Soundsgood Soundsystem haben lange Verbindungen zu diesen Häusern. Gemeinsam haben sie die engen geistigen, emotionalen und geographischen Grenzen dieses kleinmütigen Landes weit hinter sich gelassen. Die österreichischen Platten und Demotapes wurden tatsächlich auf Ö3 in der Musicbox gespielt! Punk und New Wave vermittelten zudem Verhaltensregeln und Erkenntnisse von bleibendem Wert: Do it yourself! Wiederkehrende Polizeieinsätze mit Hundestaffeln, Schlägereien mit Rockern und Skinheads sind störend, aber nicht wirklich hinderlich. Die Stadtwerkstatt begann an der medienpolitischen Zukunft zu arbeiten: Dem Underground TV folgte der 10jährige Kampf um freies Radio. Mitte der 90er Jahre ging das Freie Radio Oberösterreich on Air. Mit dem Servus-Server wurde ein eigener Internet Server für die Szene installiert.
Wie brüllten schon Rawside aus Cottbus in Linz: Diese Zeiten sind nicht die besten, aber sie sind die unsern! Also nicht sudern, sondern handeln!