Morgens Alien-Invasion im Wien der 70er und nachts dann derb-braune Zukunftsvisionen im schönen Alpenstaat. So startet die Diagonale an den äußeren Enden des Programms – durchaus spektakulär.
Vorab eine Information an die Leser: Die hier in den folgenden Beiträgen diskutierten Diagonale-Beiträge sind zu großer Wahrscheinlichkeit keine Anwärter für irgendeinen Preis am Ende des Festivales. Aber sie regen mit Sicherheit zu Diskussionen an, ob sie jetzt nur ein kleines oder gar ein großes Publikum erreichen. Auch sie haben sich eine Bühne verdient.
Programmtag #1
Viele haben an diesem ersten Diagonale-Vormittag nicht in den Kinosaal gefunden, in dem eine unsichtbare Alien-Invasion über Wien hereinfällt. „Unsichtbare Gegner“ von Valie Export läuft im Spezialprogramm und stammt übrigens aus 1976. Aber viele wirkliche Premieren gibt es dieses Jahr in der Kategorie Spielfilm ohnehin nicht, also warum nicht gleich einen größere Sprung zurück?
Der Film läuft in der Programmschiene "Shooting Women" von Filmarchiv Austria und dem österreichischen Regieverband ADA, die das Schaffen wichtiger Regisseurinnen herausstreichen will. Das Geschlecht des Filmemachers ist hier aber eigentlich völlig egal. Spannend ist die Tatsache, dass Science Fiction aus Österreich geboten wird – eine heutzutage leider selten gesehene Kombination. Naja, zumindest im Ansatz SciFi – das vordergründige Ziel ist eben doch rundumschlagende Gesellschaftskritik. An der Architektur von Wien, den Menschen in Wien und überhaupt an sämtlichen menschlichen Verhaltensmustern und Systemen. Die Filmgeschichte hat uns schließlich gelehrt, dass man solche Dinge kaum stilvoller als mit Aliens oder Zombies ans Publikum bringen kann.
Die Fotografin Anna hört von dem Angriff zum ersten Mal im Rundfunk. Hyksos heißen die unsichtbaren Mächte, die sich in die Körper der Menschen einschleichen und von ihnen Besitz ergreifen. Ohne Erfolg versucht Anna vor der Gefahr zu warnen, aber niemand glaubt ihr. Schließlich muss sie zusehen, wie die Menschen rund um sie immer aggressiver werden oder gar mastubierend durch die Gegend laufen.
„Unsichtbare Feinde“ ist nicht nur psychischer Sci-Fi, sondern gibt sich auch technisch verspielt. Avantgarde-Kino küsst hier das etwas trashige Genrekino – eine aufregende, wenn auch nicht leicht konsumierbare Begegnung. Beinahe so sinnlich wie der Kopf von Annas Verehrer, der sich beim unkonventionellen Liebesspiel am Geschlecht der Protagonistin reibt.
Der erste Tag hat spektakulär begonnen – er hört auch so auf. Ja ist denn das zu fassen? Zu Filmbeginn sind die Plätze zur späten Stunde (23:00 h) fast gänzlich belegt, am Ende gibt es zwei Fronten: die Liker und die Hater. „Der Film ist dumm! Der Film ist platt!“ meint zweite Gruppe, und hat ihre nachvollziehbaren Gründe. Aber eigentlich ist „Todespolka“ schon ein ziemlich geiler Film, vielleicht gerade aufgrund der Vorwürfe, die man ihm machen kann.
Braune Zukunftsvisionen erstrahlen in Michael Pfeifenbergers Film in vergiftetem Gelb. Die rechtspopulistische Bürgerpartei ist an der Macht, der Schilling zurückgekehrt, die Polizei trägt schwarze Uniformen und Armbinden – und die Bevölkerung hängt an den Lippen der amtierenden Bundeskanzlerin Sieglinde Führer, deren Hasstiraden über EU und Ausländer pausenlos auf dem eigenen Parteisender laufen. „Sigi Heil! Sigi Heil!“ ruft dazu die Masse. Die Volksverblödung und der wachsende Fremdenhass wird anhand einer ausgewählten Nachbarschaft veranschaulicht. Die einzelnen Einblicke in die jeweiligen Haushalte bergen schließlich exzessiv überspitzte Charaktere.
Wir erleben hier Realsatire, ein Brachialwerk ohne jeden Anspruch komplex sein zu wollen. Das geht vielen gerade bei einem brisanten Thema wie diesem gegen den Strich. Der Film hat ja auch genug Schwächen. In der zweiten Hälfte geht ihm merklich die Luft aus, der Bogen ist da schon überspannt. Zu Gute halten muss man ihm aber, dass er sich traut, so zu sein wie er ist. Er hätte auch als trockenes grau-in-graues Drama, das die Thematik seriös abhandelt, daher kommen können, wie so vieles in unserer Filmlandschaft. Stattdessen ist „Todespolka“ laut, quietschbunt und einfach gestrickt – banal, wenn man so will. Und trotz seiner Art bittererweise immernoch nahe an der Realität. Verbesserungspotenzial? Ja! Aber die Richtung ist gut. Mehr davon!