Mit seinem Roman »Russendisko« der übrigens gerade mit Matthias Schweihöfer in der Hauptrolle verfilmt wird, schaffte Wladimir Kaminer vor gut zehn Jahren seinen literarischen Durchbruch. Damals wunderte sich das Feuilleton über die wortgewaltige Präzision und Ausdruckskraft des gebürtigen Russen, der auf Deutsch, also nicht in seiner Muttersprache schreibt.
Der 44-Jährige verfügt aber über einen ebenso messerscharfen Witz. Den beweist er in der Textsammlung »Liebesgrüße aus Deutschland«. Diese kurzen, erbaulichen Häppchen, angesiedelt zwischen Glosse und Kolumne, begründen in Wirklichkeit die noch zu erfindende Textsorte »Essayskizze«. Kaminer nimmt die Eigentümlichkeiten seiner Mitmenschen aufs Korn, spart dabei aber auch nicht mit kräftigen Portionen an Selbstironie. Geizige Väter beim Schulfest, Bankbeamte, die zu ehrlich für Anlagetipps sind, Ausflüge, die sich zum Kletterwanddesaster auswachsen oder Navigationsgeräte, die mit Stimmen von Verstorbenen sprechen. Auf engstem Raum macht der leidenschaftliche Berliner inhaltliche und humoristische Volten. Ein Kunststück? Ja. Denn trotz aller satirischen Schärfe sind Kaminers »Liebesgrüße aus Deutschland« ein liebevolles Sittenbild jenseits privater und öffentlicher Kulturkreiskrisen.