Woher kommen wir und wohin gehen wir, lautet die Frage nach dem Sinn des Lebens bzw. eine Metapher für jene Frage, deren eigentlicher Wortlaut im Unbestimmten bleibt. Wolfgang Hilbigs Roman aus dem Jahre 1989, der jetzt im Rahmen einer Werkausgabe neu aufgelegt wurde, lässt sich sozusagen als Metapher (=Übertragung) dafür begreifen.
Er erzählt die Geschichte des Heizers C., der in der DDR-Kleinstadt M. über eine Zeitungsnotiz in einen Kriminalfall verwickelt wird, in die Fänge eines kriminellen Milieus einerseits und der nicht minder kriminell anmutenden Staatsgewalt andererseits gerät, und sich schließlich in Berlin niederlässt, um sich seinen lange gehegten Traum einer Existenz als Schriftsteller zu erfüllen (freilich darin aber steckenzubleiben), so wie es in dieser bewundernswerten Klarheit zumindest aus dem Klappentext hervorgeht. Dem Text selber sind diese Informationen schon mühsamer abzutrotzen: Handelt es sich doch um eine einerseits sprachlich enorm präzise, inhaltlich aber hochgradig nebulose und dämmrige Rede und Selbstbeschreibung einer eigenartig leeren Subjektivität des Ich-Erzählers, der in einer ebenso fremdartig und leer wirkenden Welt eine Identität als Schriftsteller sucht, um einem vergangenheitslosen biografischen Nichts ein zukünftiges Etwas abzutrotzen, dabei aber trotz aller äußerer Bewegungen in einer ständig trägen Gegenwart verhaftet zu bleiben scheint, die zwar von Impulsen, nicht aber von einer autobiografischen Kohärenz geprägt ist. Sozusagen ein umgekehrter Kafkaheld, der vom Gesetz wegstrebt, aber immer wieder mit der Stasi oder zwielichtigen Gestalten in Berührung gerät, wenn er versucht, Individualität zu verwirklichen. Die DDR war, wie man sagt, eine Gesellschaft, die nichts über sich gewusst hat, da es keine Diskussionskultur gab. Hilbigs »Übertragung« ist einerseits ein großer DDR-Roman, der dabei aber in seiner Sinnhaftigkeit und Valenz ins Allgemeinmenschliche und -gesellschaftliche hinein reicht. Wie alle großen Romane.