Grünes Gold – Marteria hat seinem Kiffer-Alter-Ego Marsimoto ein drittes Album geschenkt und nebenbei schon wieder einen Genre-Meilenstein verankert. Im konzipierten Vollrausch erweitert der Deutschrap-Star das Bewusstsein einer ganzen Szene um Dub, Bass, Electronica und eine Überdosis Fantasie.
„Endlich wird wieder gekifft“, lautet der erste Satz auf „Grüner Samt“, einem Album, das mühelos das geistreichste Deutschrap-Album dieses Jahres werden könnte. Orchestrierte Wahnvorstellungen bilden das grundlegende Konzept von „Grüner Samt“. Dieses entfaltet sich zu Beginn noch in einem gemütlichen Tempo: behutsam mit einem Rauschen, Pfeifen und durchdringenden Wummern. Erregung liegt knisternd in der Luft. Was für zeitgemäßen Dub typischer nicht sein könnte, könnte für deutschsprachigen Hip Hop nicht untypischer sein. „Out in the streets they call him Marsihhh!“ – Marsimoto, das Alter Ego des Rap-Stars Marteria, sorgt dafür, dass die Welt 2012 zumindest in grünen Rauchschwaden, friedliebenden Fantasien und schnurrenden bis bellenden Bässen untergehen wird.
„Jeder Song ist ein Welthit“, hat Marsimoto seinem nunmehr dritten Album vorausgeschickt und behält Recht, was die dichte Produktion betrifft. Dead Rabbit, Nobodys Face und Kid Simius sind hauptverantwortlich für diesen umhüllenden Sound, der mit der hoch gepitchten Stimme der Kunstfigur Marsimoto (natürlich von Quasimoto a.k.a. Madlib inspiriert) und seinen Pausen im Reimfluss so sehr harmoniert. Dubstep-Bretter und vertrackter Synthie-Hip-Hop weben sich in eine riesige Sample-Wolke ein, in der Dub, Techno und Wonky konzentriert werden. Nach dem ersten Tänzeln zu Britischer Bassmusik bei „Halloziehnation“ (2006) und „Zu Zweit Allein“ (2008), hat besonders „Zum Glück in die Zukunft“ (2010) von Marteria (und seinen damaligen Produzenten The Krauts) den Weg für dieses liebenswürdige Monstrum geebnet. Doch statt geradlinigem und melancholischem Club-Pop anno 2010, darf das Zweitgesicht Marsimoto hier in entsprechender Atmosphäre den Tag verträumen, das Anders-Sein halluzinieren.
Mit kindlichem Humor rappt Marsi von Indianern, einsamen Tieren, einem Basketball, Tarzan und Jane oder „Roma und Synthies“. Seine unverkrampften Fantasien verpackt er in scharfsinnigen Sprachwitz, der seinesgleichen vergeblich sucht. Das Bewusstsein einfach ohne Kopfschmerzen erweitern – „Grünes Gold“ ist auf höchstem Niveau albern und bei all der verdrehten Ironie zielsicher auf den Punkt gebracht. Der neue Maßstab für Realness im schillernden deutschen Hip Hop heißt fortan Surrealismus.