Ein todkranker Kleinkrimineller will seine Familie versorgt sehen: Alejandro González Iñárritus „Biutiful“ ist intensives Kino, gebaut um den Hauptdarsteller-Felsen Javier Bardem.
Eine ärztliche Untersuchung. Der Protagonist nimmt sich gleich selber Blut ab, da er dies besser als die Krankenschwester kann. Man ahnt: Der Patient kommt aus einem zwielichtigen Milieu. Etwas später die ernüchternde Nachricht von Krebs, nur wenige Monate bleiben noch. Doch Uxbal ist alles andere als bereit zu sterben, schließlich ist er nicht nur als Kleinkrimineller, sondern auch als Vater zweier Kinder Dreh- und Angelpunkt eines geschäftigen Netzwerks. Er beschäftigt illegale Einwanderer, ist verantwortlich für mehrere Schwarzmarkthändler und alle verlassen sich auf ihn, insbesondere seine Kinder und seine psychisch kranke Ex-Frau. Je mehr Uxbal versucht alles richtig zu machen und vor seinem Tod noch alles zu bereinigen, umso mehr versinkt alles in seiner Umgebung in einem Sumpf aus Leid und Tod. Vor seinem eigenen Ableben scheint er keine Angst zu haben, doch fürchtet er sich davor wie es ohne ihn überhaupt weitergehen soll.
Fast zweieinhalb Stunden sieht man jener Passion des Uxbal zu, deren Ende wie das jeder Passion vorprogrammiert ist. Nach seinem Globaldrama „Babel“ greift Regisseur Iñárritu in „Biutiful“ wieder das Miteinander unterschiedlicher Nationalitäten in einer multikulturellen Welt auf, samt daraus folgender Konfliktpotentiale. Doch im Mittelpunkt steht diesmal der Gleichmacher Tod. Iñárritu setzt sich vielschichtig mit dem Sterben auseinander, wenn auch oftmals in einem irritierend spirituellen Tonfall, der mitunter die Glaubwürdigkeit des Erzählten beschädigt.
Aber die Figuren die er erschafft sind wieder gewohnt intensiv geschildert, sei es nun die immer wieder an sich selber scheiternde Ex-Frau oder der zwischen Familie und Liebe zerrissene Leiter einer Fabrik für Schwarzmarktprodukte. Die Szenerie ist Barcelona, „Biutiful“ zeigt jedoch ein ganz anderes Bild der sonst oft als charmant dargestellten Küstenstadt. In diesen düsteren Gassen regieren Gewalt und Leid, passend zum Leben der einzelnen Figuren. Uxbal ist ebenso einer der Leidenden, gleichzeitig aber auch der Fels, den nichts so leicht umwirft – bis er sich dann doch am Ende seiner Kräfte sieht. Ein großartiger Javier Bardiem gibt diese komplexe Figur und schafft es, mit einem einzigen Gesichtsausdruck eine ganze Geschichte zu erzählen. Schon lange nicht mehr hatte der Spanier eine derart ergreifende Rolle. Verdient ausgezeichnet wurde Bardem dafür im vergangen Jahr in Cannes mit der Goldenen Palme.
„Biutiful“ selbst ist nicht ohne Makel: Der Film greift zahlreiche Themen auf, schafft es aber nicht immer, diese konsequent weiterzuführen. Doch allein für einen Javier Bardem abseits von Julia Roberts und Penélope Cruz lohnt es sich diesem Sterbedrama eine Chance zu geben.