Ich bin so wild nach deinem Erdbeerschnitzel – Der Mainzer Beatbastler Erdbeerschnitzel öffnet auf Album Nummer Zwei die Fenster seines House und lässt ordentlich Luft herein für eine dringend nötige Frischzellenkur.
Häh? Erdbeerschnitzel? Bei diesem Namen werden wohl die meisten erstmal Google anwerfen. Viel findet man zu diesem Producer nicht im Netz. Außer den paar obligatorischen Tracks und kleineren Features natürlich. Man stößt auch auf einige kuriose Youtube-Filmchen – ein von Erdbeerschnitzel mit nasaler Stimme übersprochenes Video einer Sozialporno-Doku, die das Leben eines deutschen Alleinunterhalters zeigt und andere bearbeitete Clips von Massen-Dompteuren wie David Guetta und DJ Tiesto, die deepe Erdbeerschnitzel-Tracks spielen. So weit, so lustig.
Tim Keiling aka Erdbeerschnitzel ist also Teil der Spaßfraktion? Weit gefehlt. Er lässt was seinen Online-Auftritt angeht zwar keinen mittelguten Witz vorbeiflattern, aber soundseitig ist sein Output alles andere als halblustig. Auf dem zweiten Album des deutschen Produzenten wird erlesene und vor allem vielseitige Housemusik geboten. Im Schnitzel-Universum drehen sich alle Soundplaneten um die Sonne Deepness. Die Tracks auf »Tender Leaf« sind zwar deep und dicht, aber trauen sich auf ihrer Fahrt auch mal nach Funkytown abzubiegen – das allerdings ohne über irgendwelche Schwächen hinwegtäuschen zu wollen oder sich irgendeinem Dancefloor-Diktat unterzuordnen. Überhaupt scheren die Stücke des Albums gerne mal in Richtung Broken Beats, Soul, R’n’B, Disco oder gar Funk aus. Gerade das macht die Musik so spannend. Im Grunde ist das zwar noch Deep House, wie er aktuell noch immer die Tanzflächen dieser Welt dominiert, aber Erdbeerschnitzel dreht seinen House-Entwurf weiter als andere Produzenten.
Der Track »Wait« klingt etwa so als hätte Frank Ocean seine House-Ader entdeckt oder als würde in »Hello« der Post-Dubstep von Mount Kimbie einen Blick um die Ecke riskieren. Erdbeerschnitzel sucht nach Schnittmengen der Genres und verkreuzt die Stile gekonnt zu innovativer Clubmusik. Alle Schnitzel-Tracks eint dabei ihre angenehme Unaufgeregtheit, trotzdem ersticken sie nicht an zuviel Understatement. Ein Album wie ein Rettungspaket für den oftmals redundanten House unserer Tage.