Leider hat nicht jeder reiche Eltern – die meisten Menschen, die sich noch in Ausbildung befinden, nutzen also die Sommermonate, um die Haushaltskasse ein bisschen aufzubessern. Dabei ist man gerade in jungen Jahre bereit, „Erfahrungen zu sammeln“, was soviel bedeutet wie: „Dinge tun, die man eigentlich nicht tun will“. Haben wir auch gemacht. Das ist uns dabei passiert. Und so haben wir dabei ausgesehen.
Teresa Reiter – Hans Dichands Buch abtippen
Es war der Sommer 2007 im Radio spielte es Rihannas „Umbrella“ in Endlosschleife und in Wien hatte es etwa eine Million Grad. Ich hatte gerade frisch maturiert, meine erste Liebe anderweitig angebracht und blickte widerwillig neuen Abenteuern entgegen. Schließlich bekam ich eine Zusage für ein Sommerpraktikum bei der Kronen Zeitung, was vermutlich mehr damit zu tun hatte, dass mein Großvater Ernst Troch beim Heurigen getroffen hatte, als mit meiner sich damals noch stark im Aufbau befindlichen Genialität.
Mein Platz war just im Absurditätszentrum des Blattes, nämlich im sogenannten Schreibbüro. Dort saßen nette Frauen in Wildtiermusterleggins und mit Frisuren wie Sandra Dee und tippten kistenweise Leserbriefe ab, die damals alle in Richtung „Schade, dass Waldheim tot ist, aber vielleicht hat er es ja verdient“ gingen. Erwachsene Menschen aus ganz Österreich schickten mit Hundestickern verzierte Briefe und Umschläge voller Kinderfotos „an Herrn Dichand persönlich“, ja manche hatten beinahe eine tägliche Kolumne auf der Leserbriefseite. Mein Job war es, ihre Werke in verständliche ganze Sätze zu übersetzen. Hatte ich das gemeistert, bekam ich einen Packen alter Kolumnen des sich ebenfalls längst in den ewigen Jagdgründen befindenden Kräuterpfarrers Weidinger, untersuchte diese auf Anachronismen, besserte Schilling auf Euro aus, damit sie erneut gedruckt werden konnten. Einmal am Tag trabte dann auch Michael Jeanneé herein und las seine handgeschriebene Kolumne einer Untergebenen vor, die sie für ihn tippte.
Ich nummerierte Blattspiegel per Hand, sortierte die Bilder mit den süßesten Hunden für die Tierseite und wurde schließlich für die ehrenvolle Aufgabe abgestellt, Hans Dichands Buch „Im Vorhof der Macht“ abzutippen. Ja, richtig gelesen! Die Krone plante nämlich das Buch als Serie in der Wochenendbeilage abzudrucken, konnte aber den Text offenbar nicht digital vom Verlag oder zum Beispiel von Dichand bekommen. Und so saß ich und tippte und lernte, dass Dichand in Kriegen gekämpft hatte, Vulkane ausbrechen sah, auf einem Hai geritten ist, einen Kapitänsschein hatte, weil er einst mit einem Schiff die Abonenten der Krone über die Donau hatte führen wollen, aber auch wie er Zeitungen aufbaute, die heute noch die Medienlandschaft Österreichs dominierten. Zehn Jahre später kommt mir die ganze Angelegenheit zwar um keinen Deut weniger absurd vor, aber ich bereue nichts!