Fatih Akin hat "Tschick" von Wolfgang Herrndorf verfilmt. Wir trafen den Regisseur zum Gespräch über Literaturverfilmungen, Coming-of-Age-Geschichten und Freiheit.
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Wolfgang Herrndorfs Roman "Tschick" ist schon jetzt ein Klassiker. Der Roman des 2013 verstorbenen Autors verkaufte sich mehr als zwei Millionen Mal, wurde in 24 Sprachen übersetzt und für das Theater adaptiert. In manchen Schulen ist die 2010 erstmals publizierte Geschichte über zwei Teenager, die ein Auto stehlen und damit durch Deutschland fahren, bereits Pflichtlektüre. Der Regisseur Fatih Akin, der mit "Gegen die Wand" und "Soul Kitchen" Erfolge feiern konnte, wollte diese schon seit Jahren verfilmen. Zuerst sollte David Wnendt die Regie bei "Tschick" übernehmen, dieser musst jedoch aus organisatorischen Gründen absagen. Akin kam zum Zug. Bei der Filmpremiere, die The Gap präsentiert hat, trafen wir den Regisseur zu einem schnellen Interview und sprachen mit ihm darüber, wie es ist, eine so erfolgreiche Geschichte auf die Leinwand zu bringen.
"Tschick" ist Ihre erste Literaturverfilmung. Sie meinten dazu: "Es war, um es in den Worten Don Corleones auszudrücken, ein Angebot, das ich nicht ablehnen konnte" Warum?
Ich will "Tschick" verfilmen, seitdem ich das Buch kenne. Ich war lange und ehrgeizig dahinter, als Herrndorf noch am Leben war. Er war damals todkrank und alle Anfragen waren eben lästig. Dazwischen habe ich einen anderen Film gemacht, "The Cut", und der ist gefloppt. Daraufhin war ich eine Zeit lang arbeitslos und dann kam eben das Angebot "Tschick" zu verfilmen.
Sie haben das Projekt spontan übernommen und hatten nur kurz Zeit, um sich auf die 40 Drehtage vorzubereiten. Sie meinten in einem Interview, dass Sie sonst sehr lange brauchen, um Filmprojekte zu planen. Wie ging es Ihnen dieses Mal bei der kurzen Vorbereitungszeit?
Genau. Sie hatten zuerst einen anderen Regisseur, aber der hatte dann doch keine Zeit. Es gab Terminprobleme, also habe ich das Projekt übernommen. Es war wirklich extrem wenig Zeit zur Vorbereitung.
"Tschick" ist ein Bestseller. Das Buch wurde in 24 Sprachen übersetzt und verkaufte sich mehr als zwei Million Mal. Zudem wurde es als Theaterstück auf die Bühne gebracht und ab 2017 wird es "Tschick" auch als Oper geben. Warum denken Sie ist gerade "Tschick" so erfolgreich geworden?
Ich glaube, es sind die Figuren, die Herrndorf geschrieben hat. Die Liebe zu ihnen springt zum Leser über. Ich glaube, dass diese Zärtlichkeit, mit der er die Figuren entworfen hat, der Grund für den Erfolg ist.
Manche Menschen sehen Literaturverfilmungen per se eher kritisch. Wie ist Ihre Meinung zu Literaturverfilmungen und hat sie sich durch ihre eigene Arbeit an "Tschick" verändert?
Solange es das Kino gibt, hat es immer auch Literaturverfilmungen gegeben. Das Kino wäre nicht in die Form gekommen, in der es heute ist, ohne Literatur. Zum Film gehört auf jeden Fall Literatur und Musik. Ich habe also Literaturverfilmungen nie kritisch gesehen.
Ein Film hat ja auch andere Mittel, eine Geschichte zu erzählen.
Genau. Und das Buch kann man noch immer lesen. Eine Verfilmung tötet das Buch ja nicht.
Sie sind ja großer Fan von Coming-of-Age-Geschichten. Warum denken Sie, dass diese so beliebt sind, auch bei älteren Menschen?
Ältere können an ihre eigene Jugend denken und Jugendliche finden sich in den Problemen, die in solchen Geschichten verhandelt werden, wieder.
Maik und Tschick sind Außenseiter in ihrer Klasse. Warum ist es interessant, die Geschichten von Außenseitern zu erzählen?
Weil Geschichten über Mädchenhelden langweilig sind.
"Tschick" fällt durchaus in die Kategorie Heldenreise, bei der die Titelfigur mitunter von anderen lernt. Maik ist ja der stille Außenseiter. Tschick scheint sich nicht sonderlich darum zu kümmern, ob er sich in die Klasse einfügt oder nicht. Im Laufe der Geschichte hat Maik von Tschick gelernt, sich selbst mehr zu vertrauen und nicht so viel auf die Meinung anderer zu geben. Was hat Maik von den anderen Figuren gelernt? Und was hat Tschick von Maik gelernt?
Tschicks Homosexualität war ein Geheimnis. Und Maik hat ihm die Gelegenheit gegeben, sein Geheimnis zu offenbaren. Maik ist von Isa wiederum ein bisschen wachgeküsst worden, in dem Sinne, dass er gelernt hat, nicht nur auf Oberflächlichkeiten zu achten.
Wolfgang Herrndorf wurde mitunter für die authentische Sprache seiner beiden Protagonisten gelobt. Wie ging es Ihnen bei der Arbeit mit den beiden Darstellern und wie haben Sie versucht, eine authentische Darstellung zu ermöglichen?
Ich habe zwei Kinder, die sind zwar noch keine Jugendlichen, aber Jugendliche sind ja eigentlich auch noch Kinder. Man muss Kinder mögen, dann geht das schon.
Musik spielt in dem Film auch eine wichtige Rolle. Welche Musik haben Sie bei der Arbeit an dem Film gehört?
Bei den Dreharbeiten habe ich viel Musik gehört, die es aber nicht in den Film geschafft hat. Es war ein anstrengender Dreh und ich habe viel Foo Fighters und Queens of the Stone Age gehört. Aber ich konnte diese Musik nicht Eins zu Eins im Film verwenden, denn das wirkt dann so, wie ein alter Mann, der versucht seine Musik in einen Jugendfilm zu packen.
Wie waren Sie als Jugendlicher?
Verträumt, schüchtern, ein bisschen verrückt und wohlbehütet.
Und was würde ihr jugendliches Ich zu Ihrem aktuellen Leben sagen?
Ich war anders, als ich jetzt bin. Ich habe zwar noch die Werte, aber ich war damals noch nicht gebacken quasi. Ich war noch nicht cool.
Maik und Tschick treibt in der Geschichte eine Sehnsucht nach Freiheit an. Was bedeutet Freiheit für Sie?
Freiheit ist das Wichtigste, das es gibt. Wie sagt Marius Müller-Westernhagen? Freiheit ist das Einzige, das zählt.
"Tschick" ist seit 16. September 2016 in den österreichischen Kinos zu sehen.