Wo wunderschöne Menschen auf Pferden reiten

Devendra Banhart, der schönste Bartträger der Vereinigten Staaten, ist mit seinem neunten Album zurück. Im Interview ging es aber auch um so etwas ähnliches wie Heimat, den kalifornischen Traum und antike Dogmen in der heutigen Kunstszene.

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Gleich zu Beginn entschuldigt sich Devendra Banhart für sein schlechtes Deutsch. Einmal habe er versucht, eine Strophe auf Deutsch zu singen, aber niemand habe die Lyrics verstanden. In Österreich und Deutschland habe später jeder gefragt, in welcher Sprache der letzte Teil von »Your Fine Petting Duck« gesungen wurde, erzählt Devendra Banhart weiter. Dabei habe sich Deutsch als Sprache für den Song, den er mit Ana Kraš aufgenommen hatte, gut angefühlt – nach Reisen, wie er sagt. Das Interview über seine Heimat Kalifornien, sein Buch und sein neues Album haben wir dann doch auf Englisch geführt …

Du bist in Texas geboren dann mit deiner Mama als Zweijähriger nach Venezuela gezogen und als Jugendlicher wieder zurück in die USA, nach L.A. Jetzt tourst du durch die ganze Welt. Wo fühlst du dich zuhause?

Hm, es fühlt sich an, als würde es sich immer ändern. Ich bin es dank meines Jobs gewohnt, dauernd herumzureisen, die Musik bringt mich an die verschiedensten Orte. Deshalb habe ich gelernt, mich überall wohl zu fühlen, sogar »on the road«. Ich kann mich noch erinnern, als ich hier her nach L.A. gezogen bin, in mein eigenes, kleines Haus – ich hatte einen richtigen Schock. Ich war Flughafentoiletten einfach schon mehr gewohnt als mir im eigenen Badezimmer die Zähne zu putzen.

Hast du dich mittlerweile an L.A. gewöhnt?

Ja, ich liebe Kalifornien! Allerdings ein Kalifornien, das sich hauptsächlich nur in meinem Kopf abspielt.

Wie genau meinst du das?

Es gibt einfach so viel Musik, so viele Songs, die den »Traum von Kalifornien« evozieren. Historisch gesehen war die Westküste eine der letzten Regionen, die von Native Americans bewohnt war. Und dieser Gedanke hat etwas romantisches – ich glaube, er ist der Grund, warum so viele hier hin gezogen sind, um ihre Träume zu verwirklichen, um zweite Chancen zu leben. Und so ähnlich war es bei mir auch: Ich bin von New York hier her gezogen, wo mein Appartement so groß wie mein heutiger Kühlschrank war. Es gibt so viel Raum in Kalifornien und das finde ich sehr kostbar. Allerdings ist das eben nicht immer Realität. Manchmal denke ich, dass die Möglichkeiten, die es hier mal gab, weniger werden. Aber der kalifornische Spirit existiert immer noch und hat besonders in der Musik überlebt.

Nach wem klingt dein Kalifornien?

Am meisten erinnern mich Jack Nitzsches Soundtracks an diesen Spirit. Er hat viel mit Neil Young zusammengearbeitet, ihre gemeinsamen Aufnahmen waren schon immer besonders kalifornisch. Außerdem gibt es hier sehr viel Jazz, Chet Baker war total Kalifornien. Und es gipfelt einfach in Led Zeppelins »Going to California«, überall wo du hinkommst, hörst du diesen Song! Er klingt einfach, als wäre die ganze Welt die reinste Hölle und nur hier findest du einen Ort, wo wunderschöne Menschen auf weißen Pferden reiten. Einfach crazy! Und diesen »Traum von Kalifornien« liebe ich.

Deine Musik wird immer wieder als Hippie Folk bezeichnet. Gefällt dir das Hippie-Klischee, mit dem die Westküste seit den 1960er Jahren assoziiert wird?

Absolut.

Existiert es noch?

Die Art von Hippie, mit der ich mich eher identifizieren kann, ja. Bei der es mehr um Gesundheitsbewusstsein, Spiritualität und einen ökologischen Lebensstil geht. Das ist ein anderer Typ als der hedonistische, drogensüchtige Rock-’n’-Roll-Hippie. Ich glaube, ich war in irgendeiner Phase meines Lebens auch mal so, aber jetzt bin ich eher der Bio-Hippie, der in Kalifornien noch immer präsent ist. Und dieses Gefühl inspiriert mich auch sehr, das es hier noch immer existiert.

Auf der nächsten Seite: Devendra Banhart über sein neues Album, sein erstes Kunst-Baby und Klagenfurt


Kommen wir zu deinem neuen Album, »Ape In Pink Marble«, das im September erscheint.

Involviert sind viele Leute, aber die meiste Zeit saßen Noah Georgeson, Josiah Steinbrick und ich zusammen und versuchten, Koto spielen zu lernen. Das ist eine Art japanische Harfe.

Die hört man auch beim Refrain von »Saturday Nights«, oder?

Ja, genau. Während den Aufnahmen haben wir drei diskutiert, sind auf gemeinsame Nenner gekommen und haben aufgenommen. Das klingt gerade, als hätte es nur ein paar Stunden gedauert, aber eigentlich war es ein drei Jahre langer Prozess.

Also hast du nach dem letzten Album »Mala«, das 2013 erschien, direkt mit diesem hier angefangen?

Fast, ich habe mir dazwischen auch Zeit genommen, mein Kunstbuch »I Left My Noodle on Ramen Street« letztes Jahr herauszubringen.

Stimmt, du gestaltest ja auch jedes deiner Albumcover selbst.

Ja, auch das jetzt für »Ape In Pink Marble«.

Wie ist das Buch entstanden?

Ich wollte unbedingt ein Kunstbuch veröffentlichen. Ich zeige meine Kunst mittlerweile schon eine ganze Weile in Galerien und Ausstellungen. Irgendwie hat es sich angefühlt, als wäre ich schon ewig auf Tour, habe aber noch kein Album produziert. Dieses Buch fühlt sich daher wirklich wie mein erstes Kunst-Baby an.

Und was liegt dir mehr, Kunst oder Musik?

Ich glaube nicht, dass mir eines der beiden besser gefällt. Ich arbeite in beiden Bereichen, ich teile sogar mein Jahr in zwei Hälften – eine für meine künstlerische Arbeit und eine für meine musikalische.

Es ist ja auch nicht ungewöhnlich, dass sich Künstlerinnen und Künstler in mehreren Disziplinen bewegen. Allerdings hast du bereits in einem anderen Interview von einer Stigmatisierung erzählt, die dir in diesem Zusammenhang schon öfter untergekommen ist.

Ja, ich war einfach überrascht, das so etwas heute noch immer existiert! Es fühlt sich einfach so antik an. Und mir kommt es einfach total überholt vor. Ich bin davon ausgegangen, dass ein Künstler auch in anderen Disziplinen experimentieren kann. Allerdings gibt es noch immer Gallerien, die meine Kunst nicht mal sehen wollten, nur weil ich ein Musiker war! Es hieß dann immer »Es tut uns leid, aber wir stellen nichts von Musikern aus …«. Ich hätte sie verstanden, wenn ihnen meine Kunst nicht gefallen hätte, aber sie wollten sich nicht einmal die Zeit nehmen, es sich anzuschauen. Deshalb war ich tatsächlich schockiert. Das gibt es natürlich nicht überall, aber ich war überrascht, dass es noch irgendwo existiert.

Und zum Abschluss: Kommst du bald nach Österreich?

Ja, wir werden auf Tour gehen und kommen auch nach Österreich – also, hoffe ich, es ist noch in Planung.

Ist da auch ein Termin in Wien in Aussicht?

Ich glaube ja, ich hoffe es auf jeden Fall. Ich würde aber gern auch noch in anderen österreichischen Städten spielen – Innsbruck, Salzburg, ich war auch noch nie in Klagenfurt.

Ein Wunder, dass du Klagenfurt überhaupt kennst!

Ich habe gehört, dass weirde Shows in diesen kleinen Städten stattgefunden haben, also will ich da auch hin!

Devendra Banharts neuntes Album »Ape In Pink Marble« ist heute, am 23. September 2016, bei Nonesuch Records erschienen.

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