Ein harter Traumjob

Mit dem Thriller "Mein Fleisch und Blut" startet heute der Debütfilm von Michael Ramsauer in den heimischen Kinos. In unserer neuen Reihe Cinema Next stellen wir spannenden Filmtalenten sechs Fragen.

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Bereits 2005 ist Michael Ramsauer, gebürtiger Landshuter, als Student der Filmakademie Wien mit seinem Kurzfilm "Echos" aufgefallen. Der Film, in dem sich drei Freunde in einem Auto gemeinsam das Leben nehmen wollen, war ein viel beachtetes filmisches Kammerspiel und lief unter anderem bei den Filmfestspielen in Cannes. Erst elf Jahre später sollte mit "Mein Fleisch und Blut" Michaels erster Kinospielfilm folgen. Darin spielen Ursula Strauss und Andreas Kiendl ein Ehepaar, das an der Entwicklungsstörung ihres sechsjährigen Sohnes zu zerbrechen droht. Als ein junges Paar ins Nachbarhaus einzieht, müssen sie erkennen, dass das Paar nicht ohne Plan ihre Nähe sucht.

Der Kurzfilm "Echos" war 2005. Jetzt kommt dein Debütfilm "Mein Fleisch und Blut". Warum mussten wir 11 Jahre auf deinen ersten Kinofilm warten?

Gut Ding will Weile haben! Nein, es gab nach "Echos" schon noch andere Projekte. Eine Kurzdoku über Nahtoderfahrungen, eine Doku für den ORF, einen Kurzspielfilm zum Thema Alzheimer, dessen Fertigstellung sich wegen "Mein Fleisch und Blut" bis heuer in den Sommer hinzog. Vor allem aber habe ich vor dem Debütfilm an zwei anderen Spielfilmbüchern gearbeitet, damals allerdings noch ohne Produktionsfirma, was deren Umsetzung sicher erschwert hat.

Die Zeit verfliegt, vor allem wenn man schreibt. Da bist du oft in der Warteschleife: Du wartest auf Feedbacks von Produktionsfirmen, auf Förderentscheidungen, aber vor allem auf DIE Idee, und die kommt oft nicht pünktlich, auch wenn man sich das wünschen würde.

"Mein Fleisch und Blut" ist ein Psychothriller, den du selber geschrieben und inszeniert hast. Was reizte dich an diesem Genre?

Zum einen mag ich es, Figuren Extremsituationen auszusetzen und sich dann zu fragen: Wie werden sie reagieren? Wie gehen sie mit dem Chaos um, das über sie hereinbricht bzw. das sie selbst heraufbeschwören? Bei einem Thriller kann man das ganz besonders weit treiben, weil in dem Genre der Zuschauer auch erwartet, dass es spätestens ab der Hälfte immer heftiger zur Sache geht.


Zum anderen hat es mich gereizt, mich mit den Mechanismen des Genres auseinanderzusetzen. Wie funktioniert ein guter Thriller? Wieviel Information gebe ich wann preis? Verrate ich jetzt schon zu viel oder zu wenig? Wie böse müssen die Antagonisten sein? Wie gut die Helden?… usw. Das alles auszuloten war nicht immer einfach, vor allem, wenn man das Buch nach Monaten des Schreibens eigentlich schon auswendig kennt. Aber ich glaube, es ist uns bei "Mein Fleisch und Blut" gelungen, schon sehr früh Spannung aufzubauen, sie kontinuierlich zu steigern, um sie schließlich am Ende, im wahrsten Sinnes des Wortes, "explosionsartig" zu entladen.

Was war dein schönstes Erlebnis beim Dreh von „Mein Fleisch und Blut“ und wo lagen deine Nerven blank?



Puh, schwer. Am schönsten finde ich es immer, wenn eine Szene, die man selbst geschrieben und unzählige Male durchdacht hat, beim Drehen besser wird, als man sich das je vorstellen konnte. Weil z.B. die SchauspielerInnen was hinzufügen, mit dem man nicht gerechnet hat, es aber perfekt passt. Oder wenn man zusammen mit dem Kameramann eine Kameraposition findet, die der Szene eine zusätzliche Ebene verleiht. 

Schwierig wird’s immer dann, wenn man sich abmühen muss, ein Setting zu schaffen, das einem ermöglicht, kreativ und konzentriert zu arbeiten. Oft liegt es an Faktoren wie dem Wetter, das bei unserem Dreh so gut wie nie so war, wie es am Vortag prognostiziert wurde. Oder wenn Drehorte wegbrechen, weil die Besitzer plötzlich horrende Mieten verlangen.

Filme zu drehen bedeutet in erster Linie Organisation und Planung. Wenn da etwas durcheinander kommt, dann gerät der kreative Prozess, also das, worum es eigentlich gehen sollte, ins Hintertreffen, und es erfordert sehr viel Geduld, in diesen Situationen trotzdem ruhig zu bleiben.

Welcher Regisseurin oder welchem Regisseuren, international oder aus Österreich, hättest du ohne mit der Wimper zu zucken dein Drehbuch zur Verfilmung übergeben?

Hm. Wenn man als Regisseur das Drehbuch selbst schreibt, gibt man es eher ungern aus der Hand… Aber bei wem ich sicher ein gutes Gefühl gehabt hätte, wäre Andreas Prochaska. Bei ihm schätze ich sehr seine Vielfältigkeit. Er hat zum einen schon mehrfach bewiesen, dass er sehr gute Genrefilme machen kann, aber er kann auch sehr subtil inszenieren, wie z.B. in "Sarajevo", was für "Mein Fleisch und Blut" mindestens genauso wichtig ist.

"Kinofilm" – das bedeutet meist Millionenbudgets, dein eigener Name groß auf Plakatwänden, die Arbeit mit bekannten SchauspielerInnen und immer gutes Catering am Set. Klingt nach einem Traumjob! Wie glamourös ist der Regie-Beruf wirklich?

Ihr habt vergessen: „… und soviel Gold wie man nur essen kann“ (aus "Life of Brian"). Nein. Regie führen ist vieles, aber nicht glamourös. Ist auch nicht so mein Ding. Traumjob ja, aber durchaus hart. Millionenbudgets bedeuten auch viel Verantwortung und große Belastungen. Außerdem exponiert man sich mit seiner Arbeit, man sagt hier: Das ist meine Geschichte. Was sagst du dazu? Wirst du dir dafür eine Kinokarte kaufen? Wirst du den Film weiterempfehlen? Haben wir dich gut unterhalten? Trotzdem bin ich sehr dankbar dafür, dass ich diesen und hoffentlich noch weitere Filme drehen und meine Geschichten erzählen darf. Das ist ein sehr großes Privileg.

Es gibt ja auch Träume abseits des Kinos. Ganz ehrlich: Jemals beruflich an einen Plan B gedacht?

Ich hab ja mit 15 eine Elektroniker-Ausbildung bei BMW gemacht, 3 ½ Jahre inkl. Gesellenbrief und allem Pi-Pa-Po. Aber ich glaub, da hab ich in der Zwischenzeit sicher zu viele neue Entwicklungen verpasst, als dass ich da wieder einsteigen könnte. Fotograf für Reiseführer könnt ich mir z.B. ganz schön vorstellen. Da ist man ständig an tollen Orten und viel an der frischen Luft. Oder irgendwas anderes mit Medien. Auf alle Fälle ist es beim Film sehr sinnvoll, mehrere Dinge gut zu können, das sichert einem das Überleben, wenn man den roten Teppich wieder verlassen hat.

Eine Reihe in Kooperation mit Cinema Next – Junges Kino aus Österreich.

Bild(er) © Petro Domenigg
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