Die „Ninja Gaiden“-Macher bringen wieder ein richtig schweres und richtig gutes Kampf-Spiel.
Nein, es bringt nichts, immer gleich „Souls!“ zu schreien, wenn ein Spiel über einen Ausdauerbalken verfügt oder ein Boss-Gegner sich nicht gleich beim ersten Versuch geschlagen gibt. Aber „Nioh“ zu besprechen, ohne auf Miyazakis „Dark Souls“-Formel zu verweisen, wäre gekünstelt kompliziert. Vielleicht ist mit dem beinhart schwierigen Samurai-Geschnetzel von den Machern der „Ninja Gaiden“-Reihe sogar der Punkt erreicht, an dem von einem neuen Genre die Rede sein darf. Nicht, dass nicht schon lange von „Souls“-Likes gesprochen und geschrieben werden würde. Aber da wurden sehr großzügig Titel zusammengetragen, die mit dem einen oder anderen Element an „Souls“-Spiele erinnern. Oder es wurde recht plump versucht, die Erfolgs-Formel zu kopieren, wie im Fall des soliden, aber weit weniger erinnerungswürdigen „Lords of the Fallen“.
Team Ninja zeigt mit ihrem Action-Rollenspiel „Nioh“ weit mehr Selbstvertrauen, bedient sich einiger klassischer „Souls“-Elemente, ergänzt sie aber mit eigenen Ideen und ausreichend Zeit für den Feinschliff. „Ausreichend“ bedeutet in diesem Fall 13 Jahre. Denn die Entwicklung von „Nioh“ begann 2004, lange bevor irgendwo von „Dark Souls“ die Rede war. Aber das ist eine andere Geschichte.
Wenn William, der blonde Samurai, von Räubern, Kriegern oder Dämonen zu Tode gebracht wird, bleibt sein tierischer Schutzgeist auf seiner Leiche sitzen. Und mit ihm all das gesammelte Amrita – die Energie der gefallenen Feinde, Erfahrungspunkte quasi und das Pendant zu den Seelen der „Souls“-Spiele. Es bleibt ein Versuch, den eigenen Leichnam zu erreichen und das gesammelte Amrita wiederzuerlangen. Dann ist es verpufft und der Schutzgeist kommt mit leeren Händen zurück. Das ist ganz klar „Souls“-like. Ebenso wie die schmerzhaft spärlich verteilten Schreine, die als Speicherpunkte dienen und die mit jedem Tod wiederkehrenden Feinde. Wer fern vom Schrein stirbt, muss viele Kämpfe noch einmal gewinnen, um sein Amrita zurückzuholen.
Wer die „Souls“-Spiele für ihre raffiniert verschachtelte, offene Spielwelt liebt, könnte von „Nioh“s mittelalterlichen Japan enttäuscht sein. Zwar werden die Levels auch hier schrittweise erschlossen und irgendwo öffnet sich dann eine Tür, die den Rückweg zum Schrein signifikant verkürzt, aber „Nioh“ setzt auf nicht zusammenhängende Levels und ist so um ein gutes Stück linearer, als das offensichtliche Vorbild.
Was „Nioh“ den „Souls“-Spielen im Level-Design nachsteht, macht es im Kampfsystem wieder gut. Mit seiner hohen Geschwindigkeit und der ewigen Suche nach dem perfekt getimten Ausweichschritt lässt sich Williams Kampfstil am besten mit dem der Jäger aus „Bloodborne“ vergleichen. Dank unterschiedlicher Kampfstellungen, schneller Waffenwechsel und einem umfangreichen Fähigkeiten-Baum, hat das Kampfsystem in „Nioh“ aber weit mehr Tiefe. Und durch die Möglichkeit, mit einem Tastendruck zum rechten Moment Ausdauer zurück zu gewinnen, ergibt sich auch noch ein eingängiger Rhythmus, der einen Hauch der Ästhetik fernöstlicher Kampfkünste transportiert.
„Nioh“ ist das erste „Souls“-Like, dass der namensgebenden Reihe auf Augenhöhe gegenübertritt. Mit gut durchdachten, frischen Ideen für eine faszinierende Spiele-Formel. Die Mythologie des alten Japan liefert dafür eine noch unverbrauchte Kulisse und so dürfen sich Masochistinnen und Masochisten auf einen lustvollen Winterausklang freuen.