Ob in der Pornoindustrie, im Medienbereich, im Bildungssektor oder in der Werbung – an Virtual Reality kommt kaum jemand vorbei. Wie entwickelt sich die Technologie in Österreich und vor welchen Herausforderungen stehen die Macher?
Virtual Reality ist Realität – gerade im letzten Jahr schafften es viele der Anwendungen und Gadgets in private Haushalte. Während die Preise sinken, entwickelt sich die Technologie weiter und mit Tools wie der Samsung Gear VR oder der Playstation VR sind bereits leistbare Geräte für den Endnutzer im Informations- und Unterhaltungssektor erhältlich. Am weitesten verbreitet ist allerdings nach wie vor die einfachste Variante des virtuellen Eintauchens in Form von 360-Grad-Videos – nicht zuletzt, weil auch Netzwerke und Videoplattformen wie Facebook, Youtube oder Vimeo das Format unterstützen und so die Verbreitung der Inhalte vereinfachen – eine Einstiegsdroge also.
All it takes is a smartphone
Alleine auf Facebook wurden bis Juni letzten Jahres mehr als 25 Millionen 360-Grad-Bilder und mehr als eine Million 360-Grad-Videos gepostet. Zudem ist gerade diese, am wenigsten immersive Form von Virtual Reality, einem großen Teil der Rezipienten ohne die Anschaffung zusätzlicher Hardware zugänglich – »All it takes is a smartphone«, wirbt etwa die New York Times auf ihrer Plattform NYTVR, die bereits im November 2015 gelauncht wurde. Zum Start verschickte die amerikanische Zeitung mehr als eine Mio. Google Cardboards an ihre Abonnenten und machte sie damit VR-ready. Doch auch andere Medienhäuser ziehen nach – Anfang März kündigte beispielsweise CNN eine eigene Virtual-Reality-Nachrichteneinheit an, die sich auf 360-Grad-Content und Live-Streams in VR spezialisieren wird.
Storytelling muss neu definiert werden
In Österreich finden sich derzeit hauptsächlich Einzelprojekte, bei denen mit Virtual Reality gearbeitet wird. Im letzten Jahr wurde beispielsweise das Sommernachtskonzert der Wiener Philharmoniker vom ORF in Kooperation mit Wien Tourismus mit acht 360-Grad-Kameras eingefangen. Seher können dabei nicht nur die Blickrichtung, sondern auch die Perspektive wechseln. Aktuell würden die Möglichkeiten, die VR biete, allerdings bei Weitem noch nicht voll ausgeschöpft. »Wir Medienmacher müssen uns verstärkt um die vielfältigen neuen Formen des Storytellings, die dadurch geschaffen werden, kümmern«, so Siegried Steinlechner, Redakteur der ORF TV-Kultur. Viel Potenzial sieht auch Axel Dietrich, CEO von vrisch, einem der ersten Unternehmen, dass sich in Österreich ausschließlich auf die Erstellung von VR-Content konzentriert: »Aktuell stehen wir am Anfang und viel passiert durch Trial and Error. Zum einen ist die Technik neu, zum anderen muss auch Storytelling neu definiert werden. Der Film hatte als Medium über 100 Jahre Zeit, um eine Bildsprache zu entwickeln – bei VR-Content muss diese mehr oder weniger neu erfunden werden.« Gemeinsam mit der Wiener Zeitung setzte das Team von vrisch das 360-Grad-Projekt eXodus um, das den Alltag von Kriegsflüchtlingen an der libanesischen Grenze zeigt. Der Blickwinkel kann während dem 13-minütigen Video selbst bestimmt werden und der Nutzer hat die Möglichkeit, das Camp aus den Augen der Flüchtlingskinder Aishe und Abdallah zu sehen. »Im Endeffekt ging es in diesem Projekt viel um Verständnis und Empathie. Durch die Technik hat man bei einem gewöhnlichen Interview tatsächlich das Gefühl, mit den Flüchtlingen in einem Zelt zu sitzen. Das schafft eine besondere Atmosphäre der Unmittelbarkeit«, erklärt Dietrich. Das Ergebnis ist nun sowohl auf der Seite der Wiener Zeitung als auch mit einer eigenen Virtual Reality App sowie mit einer Spezialbrille auf Youtube 360 zu sehen.
Virtual Reality in Österreich
Laut einer Studie des Gallup Instituts zum Media Innovation Day kennen aktuell 53 Prozent der Österreicher und Österreicherinnen den Begriff Virtual Reality, bei den 16-30-Jährigen sind es 78 Prozent, unter Schülern und Studenten sogar 94 Prozent. »Wir sehen, dass die Bekanntheit und das Interesse gerade bei den Millenials stark ansteigt. Aktuell informieren sich viele Leute über Inhalte und Gadgets «, so Nils Behrendt, Marketingleiter bei vrisch. Auch Vlad Gozman, Mitbegründer des österreichischen Startups Stereosense, das sich auf die Bearbeitung, Herausgabe, Distribution und Monetarisierung von Virtual Reality spezialisiert hat, sieht in der österreichischen VR-Szene durchaus Potenzial: »Meiner Auffassung nach traf Virtual Reality in Österreich auf regen Enthusiasmus. Es gibt vermehrt Jungunternehmen und Startups, die sich dem Thema widmen. Beispielsweise hat in Wien mit Vrei eines der ersten VR-Cafés in Europa eröffnet, innovative Produktionsunternehmen wie Vrisch und Junge Römer produzieren Custom-Experiences, mit der Virtual Reality Association Austria und der VRVienna gibt es auch seit geraumer Zeit einen Fachverband und ein periodisches Meetup der Szene und Technologieanbieter wie Bitmovin oder eben stereosense bieten ein zunehmendes Angebot an Plattformen und Infrastruktur für 360-Grad-Content in VR.« Die Einsatzfelder sind vielfältig – von begehbaren Architektur-Renderings über virtuelle Rundgänge bis hin zur realitätsnahen Probefahrt mit dem Traumauto ist viel möglich. Letztendlich gehe es – bei werblicher wie informativer Nutzung der neuen Technologie – vor allem darum, für den Nutzer ein Erlebnis zu schaffen, das er oder sie im Gedächtnis behält und, im Falle von Werbemaßnahmen, mit der Marke verbindet. »2016 war das Jahr, in dem Virtual Reality einer breiteren Masse vorgestellt wurde und gerade im Marketingbereich wird viel damit experimentiert. Man kann Geschichten jetzt noch globaler, größer und realistischer erzählen«, so Gozman. Durch das Eintauchen in eine virtuelle Realität wird der Zuseher noch stärker emotionalisiert, da er nicht mehr nur Beobachter ist, sondern Teil des Geschehens wird. „Gerade für Brands ist es wichtig ein Produkt als Erlebnis anfassbar zu machen. Alles, was Marketing erfolgreich macht, wirkt in der Virtualität dank Immersion intensiver. Bei keinem anderen Medium ist die Wahrscheinlichkeit so hoch, dass Konsumenten direkt und in Echtzeit reagieren“, erklärt Gozman. Sind damit künftig alle Probleme der Werbeindustrie gelöst? Wohl kaum – denn auch der Zuseher gewöhnt sich an ein neues Medium. Auch in Zukunft werde vor allem der Inhalt darüber bestimmen, welche Inhalte Aufmerksamkeit generieren, vermutet Nils Behrendt: »VR-Macher sollten sich nicht nur auf den ‚Wow-Effekt’ bei den Rezipientinnen und Rezipienten verlassen. Wir haben heute die Möglichkeiten, hochwertige, einzigartige und nutzenstiftende Erlebnisse zu schaffen, die im Unternehmen, zuhause und online geteilt werden und in Erinnerung bleiben.«
Just another hype?
Ob sich die Technologie, um die bereits in den 90er Jahren ein recht kurzer Hype in der Gaming-Industrie entstand, durchsetzen wird, bleibt fraglich. Während die großen Technikhersteller 3D-TV begraben, wird Virtual Reality dennoch als zukunftsträchtigere Technologie gehandelt. »Die Idee hinter 3D-Kino und 3D-TV war, wie auch bei Virtual Reality, eine stärkere Immersion. Allerdings war der Aufwand in der Technik bei dreidimensionalen Inhalten wohl zu groß, gemessen am Effekt, der letztendlich erzielt wurde«, glaubt Axel Dietrich. Ob er damit Recht behält, wird sich wohl erst in den kommenden Jahren zeigen.
Virtual Reality wird auch ein Schwerpunkt der Maker Faire Vienna, die von 20. bis 21. Mai 2017 in Wien stattfindet. Dort können im Ausstellerbereich verschiedene Gadgets ausprobiert werden, zudem finden auch zahlreiche Talks und Workshops zum Thema statt.