„Sie spielen doch sicher gut Fußball?“
Luiz de Godoy ist Kapellmeister der Wiener Sängerknaben, Korrepetitor der Chorakademie der Wiener Staatsoper und Assistent des musikalischen Leiters der Wiener Singakademie im Konzerthaus. Wir haben uns mit dem jungen Brasilianer getroffen und mit ihm über Wiener Tradition, seine Leidenschaft und seinen Hass auf Fußball gesprochen.
von Emir Dizdarevic, Elisabeth StuppnigLuiz de Godoy sitzt entspannt am Klavier. Hinter ihm eine Bücherwand, Souvenirs aus aller Welt. Allen voran Cachacas und andere Spezialitäten aus seiner Heimat Brasilien. Dass er dennoch zu einem Bild von Beethoven greift, lässt auf seine Berufung schließen. Er ist Musiker.
Luiz de Godoys liebstes Instrument ist die Stimme. Obwohl er als Pianist zahlreiche Preise gewonnen hat, ist es doch die menschliche Stimme, die ihn am meisten beeindruckt. Er ist Dirigierstudent an der Universität für Musik und darstellende Kunst in Wien, Assistent des musikalischen Leiters der Wiener Singakademie im Konzerthaus und arbeitet als Kapellmeister der Wiener Sängerknaben, sowie als Korrepetitor der Chorakademie der Wiener Staatsoper.
Es wundert kaum, dass er sich im chorsymphonischen Repertoire am wohlsten fühlt. „Wenn ich nur mit dem Chor arbeite ist es schön. Wenn ich nur mit dem Orchester arbeite ist es schön. Die Verbindung aus beiden Klangkörpern allerdings, ist ein unbeschreibliches Gefühl.“ Der in Wien lebende Musiker begann seine musikalische Laufbahn jung, mit gerade mal fünf Jahren, und zufällig. Er begleitete seinen damals zehnjährigen Bruder zu Chorproben, nicht lange hat es gedauert bis auch er singen wollte. Fasziniert haben ihn vor allem die Pianisten. Klavierspielen, das wollte er auch lernen.
Keine Selbstverständlichkeit in Brasilien, wo viele interessierte und begabte junge Menschen auf vergleichsweise wenig Angebot an pädagogischen Einrichtungen stoßen. Er macht mit 12 Jahren eine Aufnahmeprüfung an der Uni, wo er 10 Jahre lang studiert. “800 Kandidaten, 2 Plätze. Es ist tragisch wenn 800 junge Leute Musik lernen möchten, aber keinen Platz finden. Es ist die Aufgabe des Staates dies zu ermöglichen.”
Der Konkurrenzdruck und die Tatsache, dass ausgebildete Musiker schon früh mit Märkten konfrontiert werden, waren prägend für Luiz’ Ausbildung. Mit 21 kam er nach Europa um in Workshops zu unterrichten. Als Stipendiat der UNESCO, der Europäischen Union und des Brasilianischen Kultusministeriums war er in den USA, Deutschland, Frankreich und Italien tätig. Nach Abschlüssen in Brasilien, Deutschland und Portugal setzte der junge Musiker sein Studium 2013 an der Musikuniversität Wien fort.
„Als Brasilianer werde ich immer mit Fußball in Verbindung gebracht“, erzählt er. Ein Sport, den Luiz de Godoy noch nie wirklich leiden konnte und gegen den er, um sein Hobby klassische Musik zu verteidigen, regelrecht Abscheu entwickelt hat. Oft haben ihn andere Musiker schon vor Probebeginn gefragt, ob er gut Fußball spielen könne. Eine Frage, mit der ein österreichischer Dirigent wohl kaum konfrontiert worden wäre. „Wie soll ich auf Wiener Niveau musizieren und gleichzeitig auf brasilianischem Niveau Fußballspielen können? Keiner würde Erwin Ortner das erste Mal, wenn er zu einer Probe kommt, fragen: Spielen Sie gut Fußball?“, so de Godoy.
Seit Februar 2016 ist er Kapellmeister der Wiener Sängerknaben – und sammelt Dirigentenstäbe statt Bälle. Wichtig: Sie müssen zu den Proportionen des Dirigenten passen. Subtile feine Schlagbewegungen könnten sonst aggressiv und nicht einladend, aufgefasst werden, betont er. Im Orchester mache alles einen Unterschied.
In Österreich lebt Luiz de Godoy seit 2013. Eine erschreckende Begegnung als junger Musiker war für ihn der Besuch der Opernpremiere „La Traviata“ mit Natalie Dessay in der Hauptrolle in der Wiener Staatsoper. Als er nach der Aufführung euphorisch applaudierte, wies ihn ein älteres Ehepaar an, dies zu unterlassen. Die Vorstellung wäre nicht akzeptable gewesen und er, als Brasilianer, dürfe sich über die Leistung einer Sängerin an der Wiener Staatsoper kein Urteil anmaßen. “Hören Sie, wir haben eine Tradition in diesem Haus. Das war jetzt nix. Sie kennen das nicht“, bekam er als Begründung zu hören.
Heute gelten traditionsreiche Häuser oder Institutionen wie die Wiener Staatsoper, das Wiener Konzerthaus und die Wiener Sängerknaben zu seinen Arbeitgebern. Als verstaubt würde Luiz de Godoy keinen seiner Arbeitsplätze bezeichnen. Vielmehr sieht er die Tradition in Wien als stabilen Unterbau, als Basis auf der mit Vorerfahrung, Niveau und Kreativität gebaut werden kann. Durch die politische Instabilität in Brasilien, durch ständige Wechsel der Entscheidungsträger, sei es schwer dort eine Tradition aufzubauen, sagt der junge Dirigent.
Aktuell bereitet sich Luiz de Godoy mit den Mozartchor der Wiener Sängerknaben auf die kommende Japan-Tournee vor.
Dieser Beitrag ist im Rahmen des Multimedia-Ateliers am Institut für Journalismus & Medienmanagement der FH Wien der WKW entstanden.