Bester österreichischer Spielfilm! Mit seinem zweiten Film „Los Decentes / Die Liebhaberin“ gewann der Salzburger Lukas Valenta Rinner vor kurzem auf der Diagonale in Graz den wichtigsten Preis des Filmfestivals. Im Film entdeckt ein Hausmädchen, das am Stadtrand von Buenos Aires bei einer reichen Familie arbeitet, in der Nähe der Gated Community ein Nudistencamp. „Die Liebhaberin“ ist am Mittwoch, 26. April im Rahmen des Cine Latino Festivals im Filmcasino zum ersten Mal in Wien zu sehen! Wir haben dem Filmemacher in unserer Interviewreihe sechs Fragen gestellt.
Lukas Valenta Rinner verblüfft derzeit die Filmszene: 2010 veröffentlichte er einen Kurzfilm, um dann erst wieder 2015 mit seinem Debütlangfilm „Parabellum“ auf sich aufmerksam zu machen, der gleich im Wettbewerb des renommierten IFFR – International Film Festival Rotterdam und dann auf Dutzenden weiteren Festivals lief. Nur ein Jahr später folgte Lukas’ zweiter Spielfilm, „Los Decentes / Die Liebhaberin“, der ebenso erfolgreich seine Festivalrunde macht. Lukas zog für sein Filmstudium zuerst nach Barcelona, dann nach Buenos Aires und pendelt jetzt zwischen Brasilien und Europa. Eine Filmhoffnung, die auszog, um das österreichische Kino zu beleben.
Ihr habt für „Die Liebhaberin“ in einem Nudisten-Camp gedreht: Was war daran das Einfachste und was das Schwierigste für dich und dein Team?
Da der Nudisten-Club auch als Nackt- und Sexclub während der Dreharbeiten weiter in Betrieb war, hatten die Drehtage definitiv ihre „besonderen“ Herausforderungen. Z.B.: Wo baut man zwischen Swimmingpools und Orgienräumen ein Catering auf? Auch das Art-Department musste vor jedem Wechsel der Drehorte oft stundenlang putzen und saubermachen.
Auch wenn die ersten Tage für viele Schauspieler und Teammitglieder doch sehr ungewohnt waren, hatten wir uns aber nach ein paar Tagen im Club an die Dynamik gewohnt. Die meisten Darsteller ließen den Bademantel in der Garderobe und liefen nackt im Park umher, und vom Set auf dem Weg zum Catering konnte man schon einmal über eine Orgie stolpern.
Überraschenderweise wurden die Dreharbeiten in der Gated Community – mit ihren strengen Regeln und administrativen Einschränkungen – für uns zum wirklichen Drehhorror.
Deine Regie-Filmografie listet bisher einen Kurzfilm und zwei Langfilme, die beide große Festivalerfolge sind. Deinen zweiten Spielfilm hast du innerhalb nur eines Jahres realisiert. Hast du ein Schaffens- und Erfolgsrezept?
Ich entscheide mich für meine Projekte nur mit Bauchgefühl und Intuition. Aber ich brauche das Gefühl, dass eine neue Idee auch ein künstlerisches Risiko in sich birgt und auch strukturell eine Herausforderung ist. Ich bin ein Mensch, der es liebt, an die Grenzen zu gehen und sich selbst herauszufordern. In einer Kinolandschaft mit einer überwältigenden Anzahl von Filmen, die jährlich erscheinen, glaube ich, die Bereitschaft, Risiken einzugehen und im Prozess neue Wege zu beschreiten, hilft dann natürlich, gewisses internationales Interesse zu wecken.
Du hast in Barcelona und Buenos Aires studiert. Was hast du dort gelernt, was du an einer österreichischen oder deutschen Filmschule nicht gelernt hättest?
Das wirklich Besondere für mich ist der große Zusammenhalt und die Arbeit im Team in Südamerika. Da Produktionen oft wenig oder gar keine Förderung erhalten, gibt es einen großen Zusammenhalt der Filmindustrie. So tauscht man sich ständig mit anderen Kollegen aus und bekommt immer Unterstützung, wenn es während der Produktion mal „brennt“.
Ich glaube in einer zwar sehr offenen, aber doch auch sehr individualistisch ausgerichteten Filmindustrie wie Österreich wäre ein wenig mehr Gemeinschaft gar nicht schlecht.
Warum müssen in deinen Filmen eigentlich immer Menschen erschossen werden?
Mittlerweile wird es immer schwieriger, niemanden mehr zu erschießen! Da ich in meinen beiden Filmen selbst als Schauspieler erschossen wurde, ist das mittlerweile eine kleine Tradition, und diese Drehtage haben sich für unser Team mittlerweile zum Highlight entwickelt. Es genießen natürlich alle nach Wochen harter Arbeit, wenn der Regisseur vor der Kamera „ermordet“ wird.
In „Parabellum“ wie in „Die Liebhaberin“ kommt es am Ende des Films zu einer Katharsis. In „Die Liebhaberin“ schockt das Ende besonders, da es für den Zuschauer nicht vorhersehbar ist. Ich glaube aber, dass dieser Moment der Katharsis, in dem sich die Spannungen, die sich im Film aufbauen, auflösen und sich in eine explosive Emotion verwandeln, den Film aus dem Kino hinaus in die politische Diskussion übergehen lassen.
Apropos Katharsis: Schon mal daran gedacht, einen deiner Filme in deiner Heimatstadt Salzburg zu drehen?
Nach zehn Jahren im Ausland habe ich zum ersten Mal den Impuls, ein „lokales“ Thema zu bearbeiten. Auch wenn die Details noch geheim sind, ist es für mich ein besonderer Moment, nach Salzburg „zurückzukehren“. Besonders, da die Idee in einer Linie zu meinen beiden ersten Filmen steht, aber definitiv Salzburg visuell und auch atmosphärisch einen für mich noch unvorhersehbaren Einfluss haben wird.
Es gibt ja auch Träume abseits des Kinos. Ganz ehrlich: Jemals beruflich an einen Plan B gedacht?
Ich koche leidenschaftlich gerne und habe als Zivildiener ein Jahr in einer Küche gearbeitet. Ich liebe die stressige Dynamik in der Küche, die oft einem Filmset sehr ähnlich ist. Ich glaube, sollte ich mal eine Pause vom Filmemachen brauchen, würde ich irgendwo ein kleines Lokal eröffnen.
Eine Interviewreihe in Kooperation mit Cinema Next – Junges Kino aus Österreich. Ein ausführliches Porträt über Lukas Valenta Rinner findet ihr hier.