Chilly Gonzales gastierte gestern in der „Musikwelthauptstadt … von 1890“. Der Dressing Gown war auch diesmal wieder das Outfit der Wahl und passte dabei vorzüglichst in den großen Saal des Konzerthauses sowie zum atmosphärisch dichten und heiteren Abend.
First things first: Es ist kein Bademantel! Es ist ein Dressing Gown. Den trägt man nicht nach dem Baden oder nackt, sondern über der Kleidung, vorzugsweise in nicht ganz so gut geheizten britischen Wohnungen und Landhäusern. Hausmantel geht als Bezeichnung gerade noch durch. Es ist quasi Athleisure-Wear ohne den Athletic-Zwang. Im Jogginghosenzeitalter klingt das vielleicht ein bisschen off, aber genau deswegen fühlt sich Chilly Gonzales auch so wohl darin. Denn „ein bisschen off“ charakterisiert ja auch sein musikalisches Schaffen ganz gut: irgendwo zwischen Klassik, Jazz und Rap, zwischen versifftem Konzertkeller, Pianobar und – wie gestern eben – dem großen Saal des Wiener Konzerthauses.
„I’m not Tony Soprano, I got my toes on the piano“
Dass das Konzert in der Reihe „Comedy & Music“ stattfand, mutete anfangs etwas seltsam an. An den Beginn des Abends stellte Gonzales mehrere, teils neue Stücke, wie auch ein paar Preziosen aus seinen beiden „Solo Piano“-Alben, die oftmals zwischen Klassik und Jazz changierten – mehr melancholisch, denn heiter. Nach dem Warm-up, das atmosphärisch durchwegs chilly war, zeigte sich der Musiker als versierter MC. Als ein solcher muss man aber nicht nur eine gute Show zwischen den Stücken, in denen auch der versprochene Comedy-Anteil charmant eingelöst wurde, liefern, sondern natürlich auch rappen können. Bei Gonzales eben über Piano, wenn es sein muss auch gern im Dreivierteltakt. Seine Liebe zum Rap, flaniert dabei immer irgendwo zwischen Hommage und Persiflage.
Musiktheorie und -therapie live on stage
Dazwischen gab es auch noch ein bisschen Musiktheorie. Was er für einen gelungenen Song hält, offenbarte Gonzales durch die Hintertür: ein tolles Cover von George Michaels „Faith“ und ein noch besseres mit Melodica von David Bowies „Life On Mars“. Und auch Musiktherapie wurde geboten: Dafür lud er ein Pärchen als Gastmusiker zu ihm ans Piano. Therapieerfolg: ungewiss. Mit „Never Stop“ und „Knight Moves“ (furios!) coverte er sich auch selbst, eher sogar zum Vorteil beider Stücke. Den dramatischen Schlusspunkt setzte Gonzales an der Orgel des großen Saals und mimte den „Phantom der Oper“-Organisten. Auch das war aber – wie die eineinhalb Stunden davor – alles andere als zum Fürchten.