Achtung, Apple!

Design, Konsum und Kontrolle: Eine Ausstellung in Hamburg beleuchtet das Designphänomen Apple, dazu erscheint ein famoser Katalog.

Aus rechtlichen Gründen werden Artikel aus unserem Archiv zum Teil ohne Bilder angezeigt.

Wer vor zehn Jahren einen iMac gekauft hat, hätte das Geld besser investieren können: in Apple-Aktien nämlich. Denn damals kostete eine Aktie nicht mal läppische zehn Dollar, während sie derzeit über 360 Dollar wert ist. Der 10. August war für Apple ein historischer Tag: Erstmals überholte das an der Wall Street notierte Unternehmen den Engergieriesen ExxonMobil und kürte sich damit – mitten im Börsentrubel – zum wertvollsten Unternehmen der Welt. Wer noch immer glaubt, Apple sei in irgendeiner Form “alternativ”, sollte sich fragen, ob er nicht selbst gehörig naiv ist.

Da passt es gut, dass das Hamburger Museum für Kunst und Gewerbe ab 26. August eine Ausstellung zeigt, die sich dem Apple-Design widmet. Denn bekanntlich ist nicht nur Steve Jobs für den Erfolg von Apple verantwortlich, sondern mit ihm der Designer Jonathan Ive, Senior Vice President for Industrial Design. Als Jobs Ende der 90er Jahre an die Spitze des damals maroden Unternehmens kam, holte er den unbekannten britischen Jungdesigner, der bald mit dem bunten, fluffigen iMac die Ästhetik von Computern revolutionierte.

Elegante Reduktion

Von schlicht-reduziertem Design, mit dem Apple heute assoziiert wird, war damals noch keine Rede. Doch bereits kurz danach folgte die radikale Wende: Mit dem eleganten iPod – der alles andere als poppig ist – ließ man alle anderen MP3-Player wie medizinische Behelfe aussehen. Und warum ist nicht früher jemand draufgekommen, Geräte und Kabeln einfach weiß zu färben? Der Rest ist Geschichte, heute gilt die Apple-Produktpalette als unverwechselbar.

In der Ausstellung werden erstmals sämtliche Geräte gezeigt, die Jonathan Ive entworfen hat. So kann man etwa ablesen, welche Bedeutung Materialinnovation hatte: Apple brachte mit dem iMac erstmals einen Computer in durchsichtigem Kunststoff auf den Markt, Jahre später folgte ein Laptop mit Aluminiumgehäuse, gegen den die Mitbewerber neuerlich dröge aussahen. Die Ausstellung konfrontiert die Geräte mit den Entwürfen anderer Hersteller aus der eigenen Sammlung, etwa mit den Geräten der Firma Braun, die Jonathan Ive mehrmals als ästhetisches Vorbild bezeichnet hat.

Ein Katalog als Trojaner

Und hier kommt der Katalog ins Spiel. Wer mehr über Apple erfahren will als “smoothes, cooles, reduziertes Design”-Blabla, wird an ihm nicht vorbeikommen. Denn der Apfel hat einen sauren Beigeschmack, auch wenn seine schöne Oberfläche verführerisch ist. Über die Designethik eines Dieter Rams, der als Chefdesigner von Braun die Langlebigkeit und “Ehrlichkeit” eines Produkts vertrat, können die Amerikaner nur lachen. Die Produktzyklen werden immer kürzer, gegen die Produktionsbedingungen in China gab es immer wieder Proteste, das iPhone hat das weltweite Vertriebsnetz von Inhalten in bester Microsoft-Moloch-Manier auf den Kopf gestellt und geht mit fragwürdigen Patentanträgen gegen die Konkurrenz vor. Es geht ums Geld, nicht um die Freiheit der Konsumenten.

Der Designtheoretiker Friedrich von Borries fasst all dies in seinem Aufsatz “Die Apple-Design-Lüge” zusammen: “Unter der ästhetisierten Oberfläche der Apple-Produkte verstecken wir die Lebenslügen unserer Konsumgesellschaft.” Ähnliches gilt für den Katalog: Auf dem Cover gibt er sich wie ein cooles Design-Coffeetable-Book, aber im Inneren brodelt es. “Ein Muss für alle Apple-Fans” steht im Verlagsprogramm. Das Buch könnte sich als Trojaner erweisen.

Stylectrical – Vom Elektrodesign, das Geschichte schreibt.

26. August 2011 bis 15. Jänner 2012

Museum für Kunst und Gewerbe Hamburg.

www.mkg-hamburg.de

Der Katalog mit dem Titel “Apple-Design” erscheint bei Hatje Cantz (www.hatjecantz.de)

Newsletter abonnieren

Abonniere unseren Newsletter und erhalte alle zwei Wochen eine Zusammenfassung der neuesten Artikel, Ankündigungen, Gewinnspiele und vieles mehr ...